Finale Staffel „4 Blocks“: Ein letzter Mord
In der letzten Staffel der Neuköllner Gangster-Serie muss Protagonist Toni lernen: In die Kriminalität kommt man leicht rein, aber schwer raus.
Er nimmt den Schlauch des Tropfes, legt ihm um den Hals des Schlafenden und zieht zu. Der röchelt, schlägt um sich, Spucke läuft ihm aus dem Mund.
Keine 20 Minuten dauert es, bis die die dritte Staffel „4 Blocks“ ihren ersten Toten hat. Und die Zuschauer*innen werden mit voller Wucht daran erinnert, wofür die TNT-Serie um das Leben und die Verbrechen einer libanesischen Familie in Berlin-Neukölln steht. Es ist ein Racheakt von Toni Hamady (Kida Khodr Ramadan) an Rocker Nico (Ludwig Trepte). Der hatte Stunden zuvor auf ihn geschossen, doch die Kugel traf seine Frau.
Der Mord soll Tonis letzter gewesen sein. Hinter ihm und seiner Familie liegen Jahre organisierter Kriminalität: Drogenhandel, Immobiliengeschäfte, Bestechungen und Mord. Damit soll nun Schluss sein. Es ist nicht das erste Mal, dass er versucht der Kriminalität zu entkommen. Doch dieses Mal wirkt er entschlossen.
Er zieht in eine kleine Wohnung, tauscht seinen schwarzen Porsche gegen einen blauen Golf und sein Style erinnert nun eher an Hobby-Golfer als an Neuköllner-Gangster. Statt mit Koks und Machtspielen beschäftigt sich nun mit rosa Wandfarben, kauft ein Pony (kein Scherz!), spielt mit seinen Freunden Rummikub im Café und trainiert jugendliche Geflüchtete auf dem Fußballplatz.
Alles, was eine Serie braucht: Fans, Preise und Debatten
Als 2017 die dritte Eigenproduktion des Bezahlsender TNT bei der Berlinale seine Premiere feierte, gab es erst einmal Argwohn. Drei weiße deutsche Drehbuchautoren und ein österreichischer Regisseur wollen eine Serie über Gangster in Neukölln machen. Was könnte nur schiefgehen? Doch es kam anders.
Die Serie wird nicht aus Sicht der Polizei, sondern aus der Perspektive der Kriminellen, der Familie Hamady erzählt. Eine Sichtweise, die mit den Sehgewohnheiten des deutschen Publikums bricht. Im Gegensatz zu “Dogs of Berlin“ oder “Skylines“ setzt „4 Blocks“ deutlich weniger auf Stereotype und mehr auf vielschichtigere Figuren.
Was auch an der grandiosen Besetzung liegt. Wie Kida Khodr Ramadan, der den liebevollen Vater und knallharten Chef zugleich gibt. Oder Rapper Veysel Gelin, der im wirklichen Leben wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Haft saß, und die Rolle als Tonis Bruder glaubhaft verkörpert. Statt eines festen Drehbuchs gibt es für die Schauspieler*innen inhaltliche Vorgaben, die sie dann in eigenen Worten wiedergeben sollen.
Warum die Serie so gut funktioniert, liegt auch daran, dass in „4 Blocks“ nicht nur von dem Unrecht erzählt, das von den Hamadys ausgeht, sondern auch von dem, das ihnen widerfährt. Wie von den Besuchen bei der Ausländerbehörde, bei denen Toni und Kalila Hamady (Maryam Zaree) für ihre deutsche Staatsbürgerschaft kämpfen und sich ständig mit dem bürokratischen Kalkül Deutschlands auseinandersetzen müssen.
Legende oder Wand
Mit diesen Voraussetzungen hat „4 Blocks“ schnelle eine große Fangemeinschaft gefunden, wurde von Feuilletonist*innen gefeiert und mit Preisen überhäuft. Die Hintergrunddoku „Inside 4 Blocks“ offenbart, dass auch die Schauspieler*innen teilweise zunächst skeptisch waren. So fasst Massiv, der Latif spielt, zusammen: „Entweder wird es Legende oder es fährt gegen die Wand“.
Wie es sich für eine Legende gehört, löste die Serie nach ersten Lobhudeleien auch eine rege Debatte aus. Ob Gewalt und organisierte Kriminalität in ihr glorifiziert werde. Oder inwiefern sie die Realität des Neuköllner Straßenlebens wiedergebe. Auf diese Fragen kann vielleicht Regisseur Özgür Yıldırı, der seit der zweiten Staffel mit an Bord ist, mit der dritten und letzten Staffel eine Antwort geben.
Für Toni, das zeigen die ersten zwei Folgen, wird es in jedem Fall nicht einfach. Denn dass er ein neues Leben beginnen will, gefällt nicht allen. Die übrigen Hamady-Männer stecken noch in alten und neuen Geschäften fest. Und auch der Drogenboss aus Beirut erinnert Tony brutal daran, dass er ihn nicht vergessen hat. Das kriminelle Leben zu beenden, wird nicht einfach. Ist da auch noch die neue Chefermittlerin des LKA Alexandra Winter (Lisa Maria Janke), die „endlich die Clankriminalität in Griff kriegen will“.
Unabhängig davor, wie das Leben der Familie Hamady endet, „4 Blocks“ hat die deutsche Serienlandschaft zum Positiven verändert. Oder um es mit den Worten der Schauspielerin Almila Bagriacik zu sagen: „4 Blocks hat gezeigt, dass Made in Germany mehr kann.“
Leser*innenkommentare
cazzimma
Wie geil. Mafiöse Strukturen aus nichtdeutscher Kultur.
Muss abgefeiert werden.
Ich habe das in Kreuzberg vor der Haustür und könnte abkotzen ob der fetten Autos mitten auf der Fahrbahn, der Machopulke auf dem Bürgersteig ....
Macht weiter mit Eurer Ignoranz.
Bandari
@cazzimma ...garniert mit der seltsamen Angabe, dass die Autoren "Kursiv-Weiße" sein sollen, der abgebildete Schauspieler aber nicht. Alles soziale Konstruktion und so, ne... Die ganze Ghetto-Rap-Geschichte war ursprünglich auch nicht so glorifizierend, sondern anprangernd...