Häusliche Gewalt und Missbrauch: UN-Experten machen Spanien Vorwürfe

Das Land müsse Kinder besser vor gewalttätigen Vätern schützen, heißt es. Die Justiz favorisiere auch in solchen Fällen oft das männliche Elternteil.

Die Füße eines Manns und einer Frau stehen hinter einem zerbrochenen Teller

Spanien muss mehr tun, um Kinder vor häuslicher Gewalt zu schützen, sagen UN-Experten Foto: dpa/Sebastian Gollnow

MADRID taz | Der Vorwurf wiegt schwer: „Die Minderjährigen in Spanien werden durch ein Gerichtssystem, das sie nicht vor den missbrauchenden Vätern schützt, der Gewalt und dem sexuellem Missbrauch ausgesetzt“, heißt es in einem Schreiben der Vereinten Nationen. Unterzeichnet ist es von acht UN-Sonderberichterstattern und deren Mitarbeitern unterschiedlicher Themenbereiche. Sie fordern die spanischen Justiz auf, „die Vorurteile gegen Frauen zu überwinden“ und „sich auf die Genderperspektive und die der Kinder zu konzentrieren“. Die Experten untersuchen Spaniens Justiz seit nunmehr zehn Jahren.

Die Gerichte würden immer wieder den Vätern das geteilte oder gar das alleinige Sorgerecht zusprechen, obwohl die Mütter häusliche Gewalt und sexuellen Missbrauch gegen die Kleinen nachweisen könnten. Das Schreiben hebt den Fall von Diana Garcia M. besonders hervor: Der jungen Mutter wurde das Sorgerecht für ihre sechsjährige Tochter von einem Gericht in einem Madrider Vorort aberkannt. Sie habe die Beziehung zwischen dem Kind und ihrem Vater behindert, heißt es zur Begründung. Obwohl es eine Vorgeschichte von häuslicher Gewalt sowie Indizien gab, die darauf hindeuten, dass er seine Tochter jahrelang sexuell missbraucht hatte, wurde dem Vater das volle Sorgerecht zugesprochen.

„Trotz klarer gegenteiliger Leitlinien in der Kinderrechtskonvention urteilen Gerichte weiterhin, es sei im besten Interesse des Kindes, den Kontakt zu einem Elternteil aufrechtzuerhalten, auch wenn dieser Elternteil gewalttätig ist oder Missbrauch übt“, schreiben die UN-Experten. Sie werfen den spanischen Gerichten „eine diskriminierende Voreingenommenheit gegenüber Frauen“ vor, die dazu führe, „dass ihre Aussagen als weniger glaubwürdig wahrgenommen werden als die der Männer“. Weiter heißt es: „Noch seltener wird Frauen geglaubt, wenn sie körperliche und sexuelle Gewalt von Vätern gegen sich selbst und ihre Kinder melden.“

Spaniens Richter sprechen immer wieder vom „elterlichen Entfremdungssyndrom“. Die Kinder würden sich unter dem Einfluss der Mütter von den Vätern lossagen und diese gar beschuldigen. Mit dieser wissenschaftlich nicht belegten Theorie als Grundlage der Rechtssprechung würden „die Frauen vom Gericht bestraft, anstatt den Schutz ihres Nachwuchses zu gewährleisten“.

Chelo Alvárez, Plataforma de Madres Protectoras

„Jetzt ist die spanische Regierung gefragt. Ich hoffe, dass das Ganze nicht einfach in irgendeiner Schublade verschwindet“

Im Mai hatte eine Gruppe von 20 Frauen eine Beschwerde beim UN-Ausschuss gegen Frauendiskriminierung (CEDAW) eingereicht. Die Arbeit des Ausschusses war eine der Grundlagen für das jetzige Schreiben der UN-Experten. Spanien wurde in den vergangenen Jahren immer wieder vom CEDAW untersucht.

2014 hat der Ausschuss Spanien aufgefordert, eine Frau als Justizopfer zu entschädigen, die 50 Mal vor Gericht gezogen war, um zu verhindern, dass ihre Tochter unbeaufsichtigte väterliche Besuche erhielt, wie es der Scheidungsrichter angeordnet hatte. Sie sprach von Gewalt und Missbrauch – vergebens. Schließlich ermordete der Vater bei einem Besuch die Kleine und brachte sich anschließend selbst um.

„Jetzt ist die spanische Regierung gefragt. Ich hoffe, dass das Ganze nicht einfach in irgendeiner Schublade verschwindet“, erklärt Chelo Alvárez, Sprecherin der Gruppe Beschützender Mütter (Plataforma de Madres Protectoras). Sie verlangt „Entschädigung für die betroffenen Frauen und Kinder“, sowie, „dass alle betroffenen Kinder unverzüglich zu ihren Müttern zurückkönnen“.

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