Unruhen in den Salomonen: Stellvertreterstreit in der Südsee
Im Südpazifikstaat Salomonen hat ein lokaler Machtkampf zu Unruhen geführt. Auch die Spannungen zwischen den USA und China spielen eine Rolle.
Nach Angaben der lokalen Polizei wurden wegen der Ausschreitungen bisher mehr als 100 Personen festgenommen. Drei Leichen wurden in einem abgebrannten Geschäft in der Chinatown gefunden. Mutmaßlich handelt es sich um Opfer der Brandstiftungen der letzten Tage, die sich vor allem gegen die chinesische Minderheit richteten.
Die Regierungen von Australien und Papua-Neuguinea waren von Premierminister Manasseh Sogavare um Hilfe gebeten worden. Mit Canberra, das schon von 2003 bis 2017 in den Salomonen intervenierte, gibt es seit 2017 ein entsprechendes Abkommen. Australien schickte jetzt bisher 120 Sicherheitskräfte, Papua-Neuguinea etwa 50.
Am Mittwoch waren Proteste gegen Sogavare, dem die rund eintausend Demonstranten eine verfehlte Wirtschaftspolitik vorwarfen und ihn vergeblich zum Rücktritt aufforderten, gewaltsam eskaliert. Dabei zündeten die Demonstranten, die meist per Schiff von der Insel Malait gekommen waren, das Parlament und auch eine Polizeistation an. Versuche, in die Residenz von Sogavare einzudringen, konnte die Polizei mit Tränengas und Warnschüssen noch abwehren.
Symbolische Zielscheibe Chinatown
Doch im weiteren Verlauf zog ein mit Äxten, Knüppeln und Macheten bewaffneter Mob mehrfach durch Chinatown, wo bis einschließlich Freitag fast alle Geschäfte geplündert und angezündet wurden. Berichten zufolge sollen einige mit taiwanischen Fahnen geschmückte Geschäfte verschont worden sein.
Bereits 2006 war die Chinatown gebrandschatzt worden. Die chinesische Minderheit in den Salomonen, die bis 1978 eine britische Kolonie waren, gilt als relativ wohlhabend. Zwar leben viele Chines*innen bereits Jahrzehnte in dem Archipelstaat mit 700.000 Einwohnern und begreifen sich weder als Vertreter der Volksrepublik China noch Taiwans. Doch zeugt der Streit um die Politik gegenüber den beiden Chinas vom innenpolitischen Machtkampf und wird von Peking und Taipeh befeuert.
Sogavare machte am Freitag „ausländische Mächte“ für die Unruhen verantwortlich. Er nannte keine Namen, aber es war offensichtlich, dass er Taiwan und die USA meinte. Denn im September 2019 hatte seine Regierung diplomatische Beziehungen mit der Volksrepublik China aufgenommen, worauf Honiara entsprechend Pekings Ein-China-Politik die Beziehungen zu Taiwan abbrechen musste.
Peking betrachtet Taiwan, das offiziell Republik China heißt, als abtrünnige Provinz. Die Volksrepublik behält sich eine gewaltsame Vereinigung mit der nur noch von gut einem Dutzend Staaten offiziell anerkannten Inselrepublik vor.
Umstrittener Seitenwechsel
China und Taiwan buhlen seit Jahren mittels Dollardiplomatie um internationale Anerkennung. In den Salomonen war die Entscheidung äußerst umstritten. Auf der sich vernachlässigt fühlenden Insel Malaita, wo etwas mehr Menschen leben als auf der Iinsel Guadalcanal mit der Hauptstadt Honiara, hat Taiwan starken Rückhalt. Im wohlhabenderen Guadalcanal selbst gibt es Vorbehalte gegen Migrant*innen aus Malaita, was bereits in der Vergangenheit zu gewaltsamen ethnischen Konflikten mit zahlreichen Todesopfern geführt hat.
Offenbar klangen für die Regierung in Honiara Pekings Offerten attraktiver, weshalb Taiwan fallen gelassen wurde. Doch bisher haben sich die Hoffnungen auf chinesische Investitionen nicht erfüllt, wozu auch die Coronapandemie beigetragen haben dürfte. Jedenfalls kam in Malaita kein chinesisches Geld an, weshalb lokale Politiker einschließlich des dortigen Premiers Daniel Suidani schon seit Langem fordern, wieder Taiwan anzuerkennen. Suidani wirft zudem Sogavare vor, er habe sich von Peking bestechen lassen.
Auch die USA mischen in dem Konflikt mit. Washington beobachtet mit Argwohn, wie sich Pekings strategischer Einfluss im Südpazifik immer weiter ausdehnt. Die Region galt bisher als Domäne der USA und Australiens. Im Herbst 2020 bewilligte die US-Regierung 25 Millionen Dollar direkte Entwicklungshilfe für Malaita – an der pekingfreundlichen Regierung in Honiara vorbei.
Die Unruhen in den Salomonen haben also starke Züge eines Stellvertreterkonfliktes. Die Ironie ist, dass Australien, das selbst starke Spannungen mit China durchlebt, sich Sorgen über dessen Machtzuwachs im Pazifik macht und schon mehrfach in der Region als Hilfssheriff Washingtons aufgetreten ist, jetzt ausgerechnet auf Seiten des pekingfreundlichen Sogavare interveniert. Doch ist noch unklar, wie Australiens konservative Regierung, die offiziell ihre Neutralität betont, ihren neu gewonnenen Einfluss nutzen wird.
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