Harter Aufschlag im Kampf für Frauenrechte

Die WTA streicht alle Turniere in China und stellt sich hinter Peng Shuai, die einem KP-Bonzen Vergewaltigung vorwirft. Das IOC setzt auf stille Diplomatie

Olympionikin unter Druck: Peng Shuai bei den Sommerspielen 2008 in Peking Foto: reuters

Von Andreas Rüttenauer

Billie Jean King ist stolz auf den Verband, dessen Gründung 1973 auf ihre Initiative zurückgegangen ist. „Die WTA ist auf der richtigen Seite der Geschichte, wenn sie unseren Spielerinnen beisteht“, twitterte die 39-fache Grand-Slam-Siegerin, nachdem der Chef der Tennisspielerinnenvereinigung WTA verkündet hatte, dass sein Verband vorerst alle Turniere in der Volksrepublik China absagen wird. Steve Simon machte in seinem Statement klar, dass er die Entscheidung für alternativlos hält. Er stellte sich damit hinter Peng Shuai, die Tennisspielerin, die in einem Social-Media-Post Zhang Gaoli, Chinas ehemaligen Vizepremier, beschuldigt hat, sie vergewaltigt zu haben.

Nachdem der Post vom 2. November schnell gelöscht war, verschwand Peng Shuai aus der Öffentlichkeit. Als der Verdacht aufkam, sie werde festgehalten, wurden über Kanäle staatlicher Medien zwei Videos verbreitet, die Peng Shuai in der Öffentlichkeit zeigen. Für den Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees, Thomas Bach, wurde ein Video­telefonat mit der dreimaligen Olympiateilnehmerin arrangiert. Auch das IOC, das im Februar seine Winterspiele in Peking ausrichten lassen wird, stand unter Druck. Mit dem Telefonat hofften die Olympier wohl ein wenig davon aus dem Kessel nehmen zu können.

Die WTA jedoch traut dem arrangierten Frieden nicht. Steve Simons fordert vielmehr „einen nachprüfbaren Beweis dafür, dass Peng Shuai die Freiheit und Möglichkeit hat, ohne Einflussnahme oder Einschüchterungen zu sprechen“. Außerdem forderte er eine transparente Aufklärung der Vorwürfe die sexuellen Übergriffe betreffend. Ein derart offene Konfrontation mit China hat noch kein Sportverband gesucht. Zu wichtig ist China als Finanzier. Auch die WTA, die die wichtigste Turnierserie im Tennissport veranstaltet, rechnete mit hohen Umsätzen in China. Für die kommende Saison waren dort elf große Turniere geplant. Nach der coronabedingten Einstellung des internationalen Sportbetriebs in China war man gerade dabei, über das Hochfahren des Turniergeschehens in China zu verhandeln. Das ist nun vorbei.

Dass es bei der Auseinandersetzung um mehr geht als den Fall Peng Shuai, auch das machte Simon in seiner Erklärung deutlich. „Wenn mächtige Leute die Stimme von Frauen unterdrücken und Anschuldigungen sexuelle Übergriffe betreffend unter den Teppich kehren können, dann erleidet die Gleichberechtigung für Frauen, die Grundlage, auf der die WTA fußt, einen schweren Rückschlag.“

Ein derart offene Konfrontation mit China hat noch kein Sportverband gesucht

Mit solchen grundsätzlichen Fragen befasst sich das IOC nicht. Einer Stellungnahme vom Donnerstag ist zwischen den Zeilen zu entnehmen, was man vom Vorgehen der WTA hält: nichts. Das IOC bevorzuge „stille Diplomatie“, heißt es da. „Auf Basis der Erfahrung von Regierungen und anderen Organisationen sei das der meistversprechende Weg, zu effektiven Lösungen in solchen humanitären Fragen zu kommen.“ Ein IOC-Team hat, so steht es in der Stellungnahme, ein weiteres Videotelefonat mit Peng Shuai geführt. Im Januar habe man sich zu einem persönlichen Treffen verabredet. Welche Vorwürfe im Raum stehen, wird in dem Statement nicht erwähnt.

Für das IOC, dessen Pekinger Spiele wegen der Menschenrechtssituation im Land ohnehin in der Kritik stehen, ist der Fall auch deshalb von besonderer Brisanz, weil der beschuldigte Zhang Gaoli einer der führenden Olympiaplaner in China war. Er stand der „Zentralen Führungsgruppe für die Arbeit an den 24. Olympischen Winterspielen“ der Kommunistischen Partei Chinas vor und traf als solcher IOC-Chef Thomas Bach auch persönlich. Man kennt sich also. Für die Aufklärung derart heikler Vorwürfe, wie sie im Raum stehen, ist das alles andere als eine gute Voraussetzung.