Wolfspolitik in Niedersachsen: Heimliche Abschüsse
Die niedersächsische Landesregierung hält Abschussgenehmigungen für Wölfe unter Verschluss. Die Grünen sehen darin einen Verfassungsbruch.
Göttingen taz | Muss die niedersächsische Landesregierung das Parlament über bestehende Abschussgenehmigungen für Wölfe informieren? Nein, sagt das Umweltministerium in Hannover. Denn das grundrechtlich geschützte Geheimhaltungsinteresse der mit Abschüssen beauftragten Jäger überwiege das Informationsinteresse der Abgeordneten.
Ja, finden hingegen die oppositionellen Grünen, die vergeblich um entsprechende Auskünfte ersucht hatten. Am Mittwoch verhandelte der Niedersächsische Staatsgerichtshof, das Verfassungsgericht des Bundeslandes, über eine Klage mehrerer Grünen-Politiker. Die Auskunftsverweigerung sei ein Verfassungsbruch. Ein Urteil gab es noch nicht.
Um die Namen der vom Land beauftragten Jäger gehe es gar nicht, sagte Fraktionsvize Christian Meyer der taz. „Wir wollen nur wissen, ob Abschussgenehmigungen in Kraft sind, um diese eventuell juristisch überprüfen zu können.“ Die Landesregierung müsse offenlegen, „wenn Wölfe zum Abschuss freigegeben werden, und auch mit welcher Begründung“. Wolfsabschüsse seien nicht pauschal erlaubt, sondern nur mit zutreffender Begründung, etwa im Zusammenhang mit Nutztierrissen.
Meyer zufolge haben die Regierungsparteien SPD und CDU mit den „heimlichen Abschüssen“ bislang eine juristische Überprüfung der Abschussgenehmigungen verhindert: „Ist der Wolf erst tot, erlischt die Genehmigung und kann nicht mehr gerichtlich überprüft werden.“ Die Grünen halten die Abschusspraxis des SPD-Umweltministers für rechtswidrig. Bislang, so Meyer, seien in Niedersachsen zehn Mal Wölfe zum Abschuss freigeben worden. „Das Ergebnis: Kein einziger der gesuchten Leitwölfe wurde entnommen, jedoch gab es vier Fehlabschüsse.“ Statt der vermeintlichen Problemwölfe seien Jungtiere getötet worden.
In Niedersachsen leben seit 2006 wieder Wölfe in freier Wildbahn. Ihre aktuelle Zahl wird auf 200 bis 350 geschätzt. Im Jahr 2020 hat es in Niedersachsen 226 nachgewiesene Wolfsübergriffe auf Nutztiere gegeben. Lediglich 12 Prozent der durch Wölfe gerissenen Nutztiere seien mit einem wolfabweisenden Zaun geschützt worden.
Leser*innenkommentare
denkmalmeckermalmensch
Dass Nutztierhalter*innen durch Wolfsrisse geschädigt werden, ist einleuchtend; ebenso nachvollziehbar ist die emotionale Erregung, wenn ein*e Schaf- oder Pferdezüchter*in tote Tiere auffindet. Zugleich müssen wir als Öffentlichkeit Sachlichkeit und Vernunft gegenüber reißerischen Böser-Wolf-Kampagnen einfordern, denn es geht um Artenschutz. Setzen wir außerdem mal die Schäden durch Wölfe in Beziehung zu den Skandalen wie Wilderei in Deutschland (Jagd auf geschützte Wildvögel) und Tierelend und -seuchen durch nicht artgrechte Haltung, erhalten wir eine völlig andere Problemgewichtung. Zuletzt: Wie viele Wildtiere werden durch Verkehrsunfälle getötet? Die Zahlen gehen in die Hunderttausende.
86548 (Profil gelöscht)
Gast
@denkmalmeckermalmensch mit whataboutismus lässt sich jedes problem kleinreden.
denkmalmeckermalmensch
@86548 (Profil gelöscht) ?????