Senat beschließt 2G für Berlin: Am Ende der Überredungskunst

Mit 2G soll ein neuer Lockdown verhindert werden. Virologen sagen, das reiche nicht. Wo also bleibt die Impf- oder Testpflicht für das Schulpersonal?

Seit der 2G-Ankündigung wollen sich wieder mehr BerlinerInnen erstimpfen lassen Foto: picture alliance/dpa | Fabian Sommer

Es ist mit der vierten Welle nicht anders als mit der ersten, zweiten und dritten Welle zuvor: Nachdem man sich eine ganze lange Weile angeschaut hat, wie sie „rollt“, wird fleißig allerhand beschlossen. Auch für Berlin hat der geschäftsführende rot-rot-grüne Senat am Mittwoch eine weitreichende 2G-Regel beschlossen. Ungeimpften ist damit ab kommenden Montag der Zugang zu vielen Bereichen des öffentlichen Lebens nicht mehr möglich. Restaurants, Theater, Kinos, Konzerte: Wer ein Ticket will, braucht einen Impf- oder Genesenenausweis.

ExpertInnen, etwa die Virologin Sandra Ciesek und der Intensivmediziner Christian Karagiannidis, sagen bereits, das werde nicht reichen. Sie schließen auch Kontaktbeschränkungen nicht mehr aus. Geschlossene Schulen? Ultima Ratio.

Zugleich warnt der Vorsitzende der Vereinigung der Kinder- und Jugendärzte, der Berliner Arzt Jakob Maske, am Freitag im RBB, ein neuer Lockdown sei völlig indiskutabel: die „sekundären Folgeschäden“ bei Kindern durch die vergangenen Schulschließungen seien inzwischen gut dokumentiert. Übergewichtige Kinder und psychische Folgeschäden beschäftigten ihn und seine KollegInnen.

Zwei Ziele – das muss man sich vielleicht nochmal klar machen – haben die jüngst beschlossenen Einschränkungen für Ungeimpfte: Die Krankenhäuser dürfen nicht überlastet werden, und die Schulen sollen offen bleiben.

Wenn 2G aber absehbar nicht reicht – zumal eine Vorschrift nur so gut ist, wie sie auch kontrolliert werden kann – dann ist eigentlich klar, was jetzt zu tun wäre: Wir brauchen mindestens eine Test-, besser noch eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen. Für das Pflegepersonal und Menschen mit „Kundenkontakt“ hat der Senat ersteres am Mittwoch beschlossen.

Fragt sich: Warum nicht für die LehrerInnen und ErzieherInnen?

„Uns sind in den vergangenen Wochen leider mehrfach Fälle bekannt geworden, bei denen ungeimpfte Pädagoginnen und Pädagogen Infektionen in die Schulen getragen haben“, heißt es in einem Schreiben der Bildungsverwaltung vom Donnerstag an die Schulen. Das ist, angesichts einer Inzidenz am Freitag von 869,5 bei den 10- bis 14-Jährigen und 786,6 bei den 5- bis 9-Jährigen eigentlich niemandem mehr vermittelbar.

Schlicht respektlos

Selbst wenn man mit für gewöhnlich milden Verläufen bei Kindern argumentiert, sie also nicht die Intensivstationen überlasten: Es ist schlicht respektlos gegenüber den Kindern, die sich eben noch nicht durch eine Impfung schützen können. Zumal – auch das passiert jetzt schon rein statistisch immer häufiger – die Zahl der Eltern steigt, die sich trotz doppelter Impfung bei ihren Kindern anstecken.

Manche arbeiten selbst in der Pflege oder im Krankenhaus. Sie werden gerade gebraucht – auch, um den Ungeimpften, die jetzt 90 Prozent der Corona-PatientInnen auf den Intensivstationen ausmachen, das Leben zu retten.

Druck wirkt letztlich doch

Man müsse die „Impflücken schließen“, wiederholt auch Charité-Virologe Christian Drosten mit einer erstaunlichen Unermüdlichkeit dieser Tage. Die Impfung sei der einzige Weg aus der Pandemie (also auch der einzige Weg weg von 2G-Regeln und drohenden Lockdowns). Und es ist interessant, dass der Trend bei den Erstimpfungen in Berlin seit Ankündigung von 2G erstmals nicht mehr rückläufig ist, wie die Gesundheitsverwaltung am Freitag feststellte. Druck wirkt also doch.

Vielleicht muss man anerkennen, dass die Gruppe der harten Impfgegner doch größer und widerstandsfähiger ist, als man lange annehmen wollte. Vielleicht muss man anerkennen, dass all das Überreden nichts gebracht hat und eine dritte Postwurfsendung der Gesundheitsverwaltung die Menschen auch nicht mehr überzeugen wird. Es gibt übrigens seit 2020 auch eine Masernimpfpflicht für LehrerInnen und medizinisches Personal. Man kann solche Dinge beschließen. Wenn man will.

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Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Sunny Riedel das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Davor Ressortleiterin, CvD und Redakteurin in der Berliner Lokalredaktion. Themenschwerpunkte: Bildungs- und Familienpolitik.

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