Sonderwirtschaftszonen in Honduras: Indigene gegen Ministaaten
In Honduras laufen lokale Gemeinden Sturm gegen Sonderwirtschaftszonen mit eigenem Rechtssystem. Die Regierung verspricht neue Jobs.
„Es gibt den Plan, das Volk der Garífuna zu vernichten“, warnt Miranda, die für ihre Arbeit unter anderem 2019 mit dem Menschenrechtspreis der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung ausgezeichnet wurde. Die ZEDE sollen, so wirbt die derzeitige Regierung unter Präsident Juan Orlando Hernández, dem bitterarmen mittelamerikanischen Land wirtschaftliche Entwicklung bringen – und Jobs. Das könnte auch der Grund dafür gewesen sein, dass der deutsche Botschafter im Juli die „ZEDE Próspera“ auf der der honduranischen Küste vorgelagerten Karibikinsel Roatán besucht hat.
Ofraneh und andere lokale Organisationen können das nicht nachvollziehen: Es gebe keine rechtliche Grundlage für die Einrichtung der Sonderwirtschaftszonen, sagt Joaquín Mejía, Jurist am jesuitischen Forschungszentrum Eric-SJ. Die Verfassung schreibe vor, „dass nationales Territorium nicht veräußert werden darf, ohne ein Referendum durchzuführen. Das ist nie passiert“, sagt Mejía.
Doch nicht nur nationales, auch internationales, von Honduras unterzeichnete Recht wird offenbar verletzt. Die ILO-Konvention 169 zum Schutz indigener Völker schreibt vor, dass diese vor dem Start von Großprojekten informiert und um Zustimmung gebeten werden müssen. Die Ethnie der Garífuna, die an der gesamten Karibikküste des Landes lebt, fühlt sich bedroht.
Keimzelle des landesweiten Widerstands
Dank der Hartnäckigkeit von Miriam Miranda ist die Hafenstadt La Ceiba mit der vorgelagerten Insel Roatán inzwischen zur Keimzelle des landesweiten Widerstands geworden. Die Region hat sich im Juni zur ZEDE-freien Zone erklärt.
Die 60 Kilometer lange und 8 Kilometer breite Insel Roatán ist eigentlich ein Palmenparadies mit vorgelagerten Korallenriffen, ideal für Taucher. Nun soll hier eine private „Charter City“ entstehen, eine Art von Honduras unabhängiger Stadtstaat mit eigener Regierung und eigener steuerlicher und rechtlicher Struktur. Das Ziel: In Büros mit Meerblick sollen sich in einer High-Tech-Musterstadt internetaffine Firmen ansiedeln.
Ausgedacht habe sich das Konzept der einstige Weltbank-Chefökonom und US-Nobelpreisträger Paul Romer, erzählt Andrea Nuila. Die Juristin promoviert gerade zu den ZEDEs und arbeitet für die deutsche Menschenrechtsorganisation Fian.
„Die Betroffenen sind nie gefragt worden“, sagt Nuila. Dabei schränkten die ZEDEs „die Bewegungsfreiheit auf der Insel ein, untergraben Gewerkschaftsrechte und etablieren eigene Rechtsgrundsätze, greifen aber auch in das Bildungssystem ein“.
Alles erlaubt für Investoren
Allesamt eigentlich Aufgaben der Zentralregierung. Doch in den ZEDEs ist den Investoren quasi alles erlaubt. Die autonomen Ministaaten sollen, so wirbt Präsident Hernández, das Land revolutionieren – und endlich Wohlstand bringen.
„Selbst die Überflugrechte will man zu Geld machen“, berichtet Joaquín Mejía vom Forschungszentrum Eric-SJ. Ihn ärgert die Dreistigkeit, mit der die Clique um Präsident Orlando Hernández öffentliches Eigentum an Investoren verscherbelt.
Dabei ist unklar, ob die Investoren für das Entgegenkommen zahlen – oder sogar das Territorium geschenkt bekommen. Letzteres erscheint allerdings unwahrscheinlich angesichts der zahlreichen Korruptionsskandale in Honduras. Nahe der guatemaltekischen Grenze befindet sich mit Ciudad Morazán die zweite ZEDE in Planung. Eine dritte soll im Süden der Hauptstadt Tegucigalpa im Distrikt Choluteca entstehen, so Andrea Nuila. Für die vierte liefen bereits Vorbereitungen.
Klar ist, dass die erzkonservative Partido Nacional an den ZEDEs festhalten will. Bei den Parlamentswahlen Ende November gewann jedoch die linksgerichtete Politikerin Xiomara Castro, die sich mehrfach gegen die Sonderzonen ausgesprochen hat. Castro liegt in allen Umfragen vorn. Allerdings ist Honduras ein Land, indem bereits mehrfach Wahlen manipuliert wurden.
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