Ex-Umweltministerin Hendricks zur COP 26: „Ich habe zum Tanzen aufgefordert“
Die einstige Umweltministerin Barbara Hendricks spricht über die Konferenz von Glasgow. Außerdem blickt sie auf den Petersburger Klimadialog zurück.
taz: Frau Hendricks, in Glasgow hat die wichtigste Klimakonferenz seit Paris begonnen. Sie waren 2015 als Umweltministerin in Paris dabei, als dort das Klimaabkommen beschlossen wurde. Was ist Ihrer Erfahrung nach entscheidend, damit auch diese Konferenz ein Erfolg wird?
Barbara Hendricks: Das Wichtigste ist: Es muss ein Vertrauensverhältnis zwischen den Akteuren da sein. Neben einem beständigen Austausch im Vorfeld ist dabei wichtig, dass alle auf Augenhöhe verhandeln, dass also die kleinen Länder sich nicht untergebuttert fühlen, sondern wahrnehmen, dass sie genau so wichtig sind wie alle anderen. Und für das Vertrauen ist natürlich auch zentral, dass frühere Zusagen eingehalten werden, gerade auch im finanziellen Bereich.
Barbara Hendricks, SPD, war von 2013 bis 2018 Bundesumweltministerin.
In Paris konnte man damals sehen, dass es ein solches Vertrauensverhältnis gab zwischen Ihnen und Tony de Brum, dem Außenminister der Marshallinseln, mit dem Sie gemeinsam für das 1,5-Grad-Ziel gekämpft haben. Wie kam es zu dieser engen Zusammenarbeit zwischen zwei Ländern, die in jeder Hinsicht weit voneinander entfernt sind?
Ich habe ihn erst kennengelernt, als ich Ministerin war, aber damals gab es mehrere wichtige Begegnungen. 2015 habe ich die Laudation gehalten, als er mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Kennengelernt hatten wir uns 2014, als er beim Petersberger Klimadialog dabei war, den wir in Berlin veranstaltet haben. Da gab es am Vorabend einen kleinen Empfang in der Villa Borsig, dem Gästehaus des Auswärtigen Amts am Tegeler See in Berlin. Es war im Mai, das Wetter war gut, wir waren draußen auf der Terrasse und es spielte eine kleine Jazzcombo. Da habe ich Tony de Brum irgendwann zum Tanzen aufgefordert. Daran konnten wir dann in Paris gut anknüpfen.
Glasgow ist die letzte Klimakonferenz, an der Angela Merkel teilnimmt. Wie haben Sie ihre Rolle bei den internationalen Verhandlungen erlebt?
Sie hat bei der Mehrzahl der Anwesenden immer großes Vertrauen genossen. Das kam zum einen dadurch, dass sie über viele Jahre dabei war, erst als Umweltministerin, später als Kanzlerin, und dadurch große Glaubwürdigkeit erworben hat. Zum anderen hat sie nach dem Scheitern des Klimagipfels von Kopenhagen im Jahr 2009 den Petersberger Klimadialog ins Leben gerufen. Seitdem kommen jedes Jahr im Mai 30 bis 35 Umweltministerinnen und -minister aus aller Welt in Deutschland zusammen, um den Klimagipfel zum Ende des Jahres vorzubereiten, zusammen mit dem Gastgeberland. Das war ihre Initiative als Umweltministerin, und sie war auch als Kanzlerin jedes Mal dabei. Das hat auf jeden Fall auch zur Vertrauensbildung beigetragen.
Merkels internationales Klima-Renomee steht im Gegensatz zu ihrer Bilanz im Inland, die bestenfalls als durchwachsen gilt, wenn nicht als gescheitert. Wie sehen Sie das?
Diese unterschiedliche Wahrnehmung liegt daran, dass sie tatsächlich unterschiedlich gehandelt hat. In internationalen Bezügen war Frau Merkel immer verlässlich. Auf der nationalen und europäischen Ebene war sie dagegen nicht immer ehrgeizig genug. Beim CO2-Ausstoß von Autos etwa hat sie die Ziele der EU mehrmals gebremst, unterstützt durch die jeweilgen Wirtschaftsminister…
… die teilweise auch aus der SPD kamen.
Ja, auch Sigmar Gabriel ist nicht so richtig vorangeschritten. Aber auch Peter Altmaier nicht, und die FDP-Minister in der schwarz-gelben Regierung schon gar nicht. Und auch die Verkehrs- und Landwirtschaftsminister gehörten meist zu den Bremsern. Man muss dabei auch bedenken, dass das gesellschaftliche Klima sich erst seit 2019 in Richtung konseqenterem Klimaschutz entwickelt – durch die Proteste von Fridays for Future und durch die zunehmenden Wetterextreme. Das war vorher nicht der Fall.
In Paris haben Sie damals gesagt: „Jetzt geht es endlich los.“ Wie fällt Ihre Bilanz sechs Jahre später aus – ist es wirklich losgegangen?
Doch, das kann man schon sagen. Zwar haben wir das Klimaschutzgesetz mit den ehrgeizigen Sektorzielen erst 2020 verabschiedet, aber die Grundlagen dafür wurden schon direkt nach Paris im Klimaschutzplan gelegt. Damals war das Ziel noch, die Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent zu reduzieren. Jetzt lautet es 65 Prozent. Wir haben also genau getan, was das Pariser Abkommen fordert – nämlich die Ziele regelmäßig zu überprüfen und zu verbessern.
Aber gut genug für das 1,5-Grad-Ziel sind sie immer noch nicht.
Es stimmt: Was wir bisher zugesagt haben, reicht noch nicht. Aber es ist ja auch noch nicht alles, es wird noch mehr geschehen. Wenn ich zurückblicke, wie sich die Technologie in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt hat, bin ich sehr zuversichtlich, dass wir in 15 Jahren wieder ganz andere Möglichkeiten haben werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei