Der Freedom Day könnte schon bald kommen

Bundesgesundheitsminister Spahn plädiert dafür, dass „epidemische Lage“ nicht verlängert wird

Der noch amtierende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat sich für ein ­Auslaufen der sogenannten epidemischen Lage nationaler Tragweite Ende November ausgesprochen. Dies könnte zu einem sogenannten Freedom Day, also zum Ende aller Co­­ro­na-Einschränkungen, führen, muss es aber nicht.

Die Feststellung der epidemischen Lage nationaler Tragweite ist Aufgabe des Bundestags. Den ersten derartigen Beschluss traf er am 25. März 2020, damals noch zeitlich unbeschränkt. Seit März 2021 müssen die Beschlüsse jedoch alle drei Monate erneuert werden. Der letzte Beschluss stammt vom 25. August. Seine Wirkung endet am 25. November.

Die Feststellung der epidemischen Lage durch den Bundestag hatte anfangs vor allem symbolische Bedeutung. Seit November 2020 sind jedoch die Coronabefugnisse der Bundesländer ausdrücklich im Infektionsschutzgesetz geregelt (§ 28a IfSG) – und an die Feststellung einer epidemischen Lage gebunden. Wenn der Bundestag die Lage nicht verlängert, würden also alle Coronaverordnungen der Länder ihre Rechtsgrundlage verlieren.

Minister Spahn begründete seinen Vorschlag mit der aktuellen Impfquote und verwies auf das Robert Koch-Institut (RKI), das für Geimpfte nur noch „moderate“ Gefahren sieht. Laut Gesetz „kann“ der Bundestag die „epidemische Lage“ feststellen, wenn eine dynamische Ausbreitung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit „droht oder stattfindet“. Angesichts der drohenden vierten Coronawelle wäre ein neuer Beschluss also rechtlich durchaus möglich.

Lauterbach natürlich dagegen

Im August hatten die Bundesländer den Bundestag noch einstimmig aufgefordert, die Feststellung der epidemischen Lage zu verlängern. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach geht auch davon aus, dass die Länder kein Interesse an einem „Freedom Day“ haben. „Kein Bundesland wäre so verrückt, bei den derzeitigen Fallzahlen auf Zugangsbeschränkungen für geschlossene Räume zu verzichten oder die Maskenpflicht in Bus und Bahn zu begraben“, sagte Lauterbach dem Redaktions-Netzwerk Deutschland (RND).

Dagegen twitterte der FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann: „Die epidemische Lage von nationaler Tragweite kann enden, hätte längst beendet sein können.“ Es könnte Ende November also zu einem ersten Test auf die Handlungsfähigkeit der neuen Ampelmehrheit kommen.

Es gibt aber auch Alternativen zur Verlängerung der epidemischen Lage durch den Bundestag. So sieht das Infektionsschutzgesetz auch die Möglichkeit vor, dass die Landtage eine epidemische Lage für das jeweilige Bundesland feststellen und so eine Fortgeltung der Coronaverordnung des Landes ermöglichen. Auch ein Landtagsbeschluss müsste alle drei Monate verlängert werden.

Und Baden-Württembergs Sozialminister Manne Lucha (Grüne) schlug vor, das Infektionsschutzgesetz so zu ändern, dass „niedrigschwellige Maßnahmen“ wie die Maskenpflicht und Abstandsgebote von den Ländern auch ohne „epidemische Lage“ beschlossen werden können. Christian Rath