Debütalbum von Joachim Franz Büchner: Schmutzige Eleganz in Eimsbüttel

Joachim Franz Wer? Das Debütalbum „Ich bin nicht Joachim Franz Büchner“ zeigt einen aufstrebender Künstler mit herzerwärmendem Gitarrenpop.

Joachim Franz Büchner steht im Unterholz

Schicker Pulli: Joachim Franz Büchner in der Natur Foto: Robin Hirsch

Kinder, wie die Zeit vergeht! Einen Proberaum-Spruch wie „Wir sind hier nicht in Seattle, Dirk“ als Songtitel zu verwurschten – was für ein genialer Kniff von Tocotronic, 1995.

Und siehe da, die Band beeinflusst noch heute aufstrebende Künstler:innen. Zu hören beim norddeutschen Lebenskünstler Joachim Franz Büchner, dessen kürzlich veröffentlichtes Debütalbum den Marcel-Duchamp-haften Titel „Ich bin nicht Joachim Franz Büchner“ trägt.

Darin steckt auch ein bisschen „Seattle“ – also die Aufforderung, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen. Büchner, ein fast 40-jähriger Lebenskünstler aus Hamburg, kennt Tocotronic. Und er hat auch von ihnen gelernt: ein bisschen Selbstoffenbarung hilft beim Komponieren von Popsongs. Einmal singt er: „Meine Freunde sagen: Joachim, Du hast dich an dir selbst verschluckt.“

Entlanghangeln zwischen Kunst und Pop

Jahrelang hat sich Büchner entlang verschiedenster Jobs und Projekte zwischen Kunstinstallation und Popkonzert gehangelt, wie viel dabei Inszenierung oder Behauptung blieb, wie viel tatsächlich unter das Künstlerprekariat fiel, bleibt ­unklar. Bessere Zeiten, Erneuerbare Energien und Der Bürgermeister der Nacht hießen Bands, bei denen Büchner mitgewirkt hat – südlich der Elbe dürften sie kaum bis wenig bekannt sein. Nun hat der Sänger und ­Gitarrist das erste Album unter eigenem Namen herausgebracht – oder eben auch nicht, wenn man dem Titel glaubt. Wer ist Büchner, wenn nicht er selbst?

Joachim Franz Büchner: „Ich bin nicht Joachim Franz Büchner“ (Buback/Indigo)

live: heute 30. September „Badehaus“ Berlin, 1. Oktober „Noch besser Leben“ Leipzig, 2. OKtober „Pierre Grasse“ Halle/Saale

Joachim Franz Büchner sitzt in der Küche einer kleinen Altbauwohnung im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel und schlürft Kaffee. „Nicht ich selbst sein zu müssen – das entlastet ja auch“, sagt er. „Das schafft künstlerische Distanz. Ich könnte jede der fiktiven Figuren in den Songs sein. Und mein Name passt ganz gut zum Titel – der hat so eine ­altmodische, schmutzige Eleganz.“

Wirklich blendend geht es den Figuren in den zehn Songs nicht, so viel wird klar. Der „­Habicht im Netto“ ist ein Bahnhofs­hallen-Herumtreiber; Worte wie „Gewissen“, „Lügen“ und „Erinnerungen“ durchziehen das Dub-Experiment „Zu kalt hier“ – hier behandelt der Vortragende seine Depressionen.

Der Künstler hadert mit sich selbst

Im Chor-verhangenen „Bottom of the Pops“ (das sich auf die langjährige BBC-TV-Sendung „Top of the Pops“ bezieht) hadert der Protagonist mit seinem künstlerischen Selbstverständnis: „Meine Freunde sagen, Joachim: Vielleicht wird alles ein Riesen–Flop“. Büchner sprechsingt: „Selbstfindung ist ein delikates Unterfangen / Wenn man sich selbst überhat“.

Ein typischer Satz für den Künstler, der im Gespräch große Freundlichkeit und beinahe so etwas wie resignatives Selbstbewusstsein ausstrahlt. Büchner weiß, er ist kein großer Sänger und ein echter Poet wird aus ihm auch nicht mehr. Einmal reimt er „Kaum etwas in petto“ auf „Höchstens ’n Schuss Amaretto“. Aber Büchner kennt eben seine Grenzen.

Als könne er es selbst kaum fassen, dass nun sein Soloalbum beim Indie-Label Buback erscheint, hat er auch dafür das passende Songzitat: „Was man nicht von mir erwartet hätte / Es funktioniert“. Musikalisch lehnt er sich an die ausufernden Klanggebilde von Psychedelik-Rock an, schiebt immer wieder hübsche Gitarrenmotive hinterher und wagt sogar einen Disco-Ausflug – „Habicht im Netto“ ist der Lieblingssong von Büchner-Kumpan und Sterne-Sänger Frank Spilker.

In seiner WG läuft in einem anderen Zimmer Miles Davis’ „In a Silent Way“. An der Küchenwand hängt ein Porträt des 2017 verstorbenen Can-Bassisten Holger Czukay – Büchner hat einen formidablen Musikgeschmack. Aufgenommen hat er das Album im Studio von Frank Spilker, und Künstlerkollegen von Bands wie Messer hat er in seine Joachim Franz Büchner Band geholt. Vor allem aber besticht er im Duett mit zwei der coolsten Künstlerinnen im hiesigen Pop. Pola Schulten (ehemals bei der Band Zucker) und Fee Kürten alias Tellavision sind prominent vertreten. Im Gespräch schwärmt Büchner von beiden. Das eigene Understatement wirkt nie kokett.

Allein auf weiter Flur

Es passt zur Wärme, die Büchners Songs verströmen. Auf dem Cover reckt er seine E-Gitarre aus emporwucherndem Gras über den Kopf – eigentlich eine abgestandene, narzisstische Rockstarpose. Aber Büchner steht allein auf weiter Flur, in einem Feld und nicht auf der Bühne, statt offenem Hemd trägt er beigen Wollpullover.

„Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit“ – wieder ein Tocotronic-Songtitel von 1995. Dass die globale Popszene auf „Ich bin nicht Joachim Franz Büchner“ gewartet hat, ist eher unwahrscheinlich. Dass der Hamburger Indie-Kosmos und alle, die herzerwärmend schluffigen Gitarrenrock mit deutschen Texten schätzen, sich an seiner Musik erfreuen, könnte dagegen wahr werden.

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