Wahlkreis von Scholz und Baerbock: Die Nebenfrauen

In Potsdam und Umgebung dreht sich alles um die Kandidaten Scholz und Baerbock. Im Schatten stehen dabei zwei, die sonst selbst Promis sind.

Das Foto zeigt Annalena Baerbock von den Grünen neben Saskia Ludwig von der CDU und Linda Teuteberg von der FDP.

Saskia Ludwig (CDU, l.) und Linda Teuteberg (FDP) haben im Baerbock-Wahlkreis 61 nur Nebenrollen Foto: dpa

TELTWOW/POTSDAM/JÜTCHENDORF TAZ Der Bus kommt aus einer Nebenstraße. Schier ein Wunder, dass diese rollende grüne Wahlkampfmaschine mit den Ausmaßen eines Komfort-Reisebusses da durch passt. Über 200 Menschen erleben in einem abgesperrten Teil eines Parks im brandenburgischen Teltow, wie Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock, umringt von vier, fünf Personenschützern, aus- und schnell in eine Rede zu Klimaschutz einsteigt. Kaum zehn Meter daneben steht von der Menge unbeachtet ein großformatiges CDU-Wahlplakat: „Klimaschutz? Geht auch anders!“, neben diesem Spruch ist Kandidatin Saskia Ludwig abgebildet.

Daneben zu stehen ist ihre Rolle in diesem Wahlkampf. Ludwig, die als frühere CDU-Landesvorsitzende, Ex-Fraktionschefin im Landtag und umstrittene Konservative anderswo selbst Promi wäre, teilt im Wahlkreis 61, wo Baerbock und Olaf Scholz antreten, das Schicksal von Ex-FDP-Generalsekrerärin Linda Teuteberg: Sie sind hier bloß die Nebenfrauen.

Ohne Bus kommt Ludwig zu einem Besuch in einem Hotel ein paar Kilometer südlich von Berlin. Es ist eines jener Unternehmergespräche, die viele Politiker suchen. Von zu viel Bürokratie ist zu hören, von Schwierigkeiten, Personal zu finden – und natürlich von Corona und dem Beinahe-Aus für den Betrieb. Ludwig macht, was Politiker aller Parteien in solchen Fällen tun: zuhören, möglichst Verständnis zeigen, an ein paar Stellen nachhaken und klarmachen, dass die jeweils anderen etwas falsch gemacht haben. Diese anderen, dazu gehört für Ludwig bei Corona auch die von ihrer eigenen Partei geführte Bundesregierung: Sie hat im Bundestag 2020 gegen das novellierte Infektionsschutzgesetz gestimmt und erinnert daran auch bei dem Hotelbesuch.

Vor vier Jahren war es Ludwig, die bei der Bundestagswahl im Wahlkreis 61 im Mittelpunkt stand. Sie und die SPD-Kandidatin Manja Schüle, inzwischen zur Wissenschaftsministerin im Landeskabinett avanciert, lieferten sich damals das Duell, das heute gerade in der überregionalen Berichterstattung meist bloß Scholz und Baerbock unter sich ausmachen. Die SPD-Frau gewann damals knapp mit 26,1 zu 24,9 Prozent, bloßen 1.493 Stimmen Vorsprung.

Baerbock bekam 2017 nur 8 Prozent

Baerbock war 2017 noch nicht Grünen-Bundesvorsitzende, aber auch schon Direktkandidatin. Sie kam nur auf 8 Prozent. Nur wenig mehr als Linda Teuteberg mit 7,5 Prozent. Sie wäre als FDP-Landesvorsitzende und vor allem frühere Generalsekretärin anderswo der bekannteste Name – umso mehr, weil ihr Rauswurf durch Parteichef Christian Lindner 2020 bundesweit Schlagzeilen machte. Aber auch für sie gilt: Im Rampenlicht stehen nur Scholz und Baerbock.

„Das ist doch eine Scharade“, sagt Ludwig am Rande ihres Hotelbesuchs der taz, „in der Öffentlichkeit wird der Eindruck erweckt, dass im Wahlkreis 61 der Kanzler gewählt wird.“ Das nagt merklich an ihr, und die Umstände sprechen tatsächlich gegen einen Wahlerfolg: Scholz als möglicher Kanzler dürfte noch mehr Stimmen ziehen als seine Vorgängerin Schüle 2017, und der CDU-Bundestrend ist verheerend.

Klappt es nicht im Wahlkreis, ist Ludwig nach knapp 20 Monaten wieder raus aus dem Bundestag – auf der Landesliste der CDU ist sie zu weit hinten platziert, „das können Sie vergessen“. Dass Ludwig im Dezember 2020 überhaupt nachrückte, hatte zu Kritik geführt, denn Ludwig war erst kurz zuvor erneut in den Brandenburger Landtag gewählt worden und kündigte an, beide Mandate gleichzeitig ausführen zu wollen. Die geringe Entfernung begünstigte das – vom Bundestag bis zum Landesparlament in Potsdam sind es Luftlinie gerade mal 25 Kilometer.

Oft läuft der Wahkreis 61 mit dem langen Namen „Potsdam–Potsdam-Mittelmark II–Teltow-Fläming II“ allein unter dem Etikett „Potsdam“. Tatsächlich aber wohnt in der Landeshauptstadt nur etwas mehr als die Hälfte der knapp 250.000 Wahlberechtigten – der Rest ist in kleinen Städten wie Teltow mit seinen 27.000 Einwohnern zu Hause oder aber ganz ländlich in Straßendörfern wie dem 20 Kilometer entfernten Jütchendorf. Nur knapp über 100 Menschen leben dort, und doch steht auch da ein aufwendiges Großflächenplakat mit Ludwig drauf, während die Bilder der Konkurrenz auf dem Land weit weniger zu sehen sind. Ludwig bestätigt: Es ist Strategie, auch stark außerhalb von Potsdam zu mobilisieren.

Teuteberg kann auf die FDP-Landesliste vertrauen

Das Besondere an diesem Wahlkreis ist auch, dass die vier Genannten alle schon im Bundestag sind. Außer Ludwig ist Scholz am meisten auf das Direktmandat angewiesen. Denn die SPD wird absehbar in Brandenburg so viele Wahlkreise gewinnen, dass ihre Landesliste, auf der Scholz die Nummer 1 ist, keinen weiteren Bewerber ins Parlament bringt. Baerbock und Teuteberg hingegen, gleichfalls Spitzenkandidatinnen ihrer Brandenburger Landesverbände, können sicher davon ausgehen, im Bundestag zu bleiben.

Sorgen muss sich Scholz allerdings kaum machen, obwohl er auch ohne Bundestagssitz Kanzler werden könnte: Die Umfrageplattform election.de geht mit 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit davon aus, dass er gewinnt. Ludwig mag das allerdings so nicht wahrhaben – „Ich erlebe das im Wahlkampf anders.“ Grundsätzlich empfinde sie es als unfair, von einem Duell Scholz/Baerbock zu sprechen, weil die Prognosen aktuell sie und nicht die Grüne an zweiter Stelle sähen. Überhaupt hält sie die Christdemokraten gerade für unterbewertet. „Ich glaube, dass die CDU besser dasteht als in den Umfragen“, sagt sie.

Ein paar Tage nach diesem Termin wird ihr Bundesvorsitzender beim letzten Fernseh-Triell der Kanzlerkandidaten zu sehen sein. Es ist zu zwei Dritteln die Runde der bestplatzierten Parteien aus dem Wahlkreis 61. Statt Ludwig steht zwar nun Armin Laschet neben Scholz und Baerbock. Die Nebenrolle aber hat auch er.

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