: Aus Palandt wird Grüneberg
Nach viel Kritik am Nazi-Namenspaten benennt der Beck-Verlag sein Nachschlagewerk um
Von Teresa Wolny
Was Initiativen seit Jahren fordern, ist nun geschehen: Der Palandt, eines der am meisten verwendeten Nachschlagewerke im Zivilrecht, wird umbenannt. Seit Juli ist es nicht länger nach dem NSDAP-Mitglied Palandt benannt, sondern heißt Grüneberg nach dem Juristen, der die Autor:innen des Bandes koordiniert.
Der 1877 in Stade geborene Palandt war Richter an den Oberlandesgerichten Posen und Kassel, bevor er 1933 der NSDAP beitrat und 1934 Präsident des Reichsjustizprüfungsamts wurde. 2016 gründete sich in Hamburg die Initiative „Palandt umbenennen“ (IPU), die sich für eine kritische Erinnerungskultur in der Rechtswissenschaft einsetzt. Sie nannte die Beibehaltung des Namens „eine groteske Ehrerweisung“ und erreichte 2017, dass es fortan im Buch zumindest einen Hinweis auf Palandts Biografie gab. Auch Teile der Politik, etwa die SPD-Fraktion oder die Justizminister von Hamburg, Berlin und Thüringen sprachen sich für eine Umbenennung aus.
Die Aufmerksamkeit für den Palandt hat auch damit zu tun, dass er so häufig benutzt wird. „Die Kommentare im Palandt fassen häufig sehr kurz und prägnant zusammen, wie ein bestimmter Paragraf des BGB an anderer Stelle ausgelegt wurde“, erklärt Lorenz Kähler, Professor für Bürgerliches Recht und Zivilprozessrecht an der Uni Bremen. Das Abkürzungsverzeichnis mache ein sehr schnelles Nachschlagen möglich – deshalb diene das Werk vielen Jurist:innen als erste Orientierung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).
2017 hatte der C.-H.-Beck-Verlag eine Umbenennung noch mit dem Verweis abgewiesen, eine Änderung sei verwirrend. Außerdem argumentierte man mit der Erinnerung: „Geschichte kann man nicht ungeschehen machen. Deshalb haben wir zunächst die historischen Namen beibehalten“, schreibt der Verlag in der Pressemitteilung zur Umbenennung. Um Missverständnisse zu vermeiden, habe man sich nun aber für den Schritt entschieden. Jürgen Zimmerer, Professor für Globalgeschichte an der Uni Hamburg, kennt das Argument des historischen Vergessens gut. „Aber in diesem Fall ist der Name ein Denkmal, der vom eigentlichen Werk losgelöst ist.“
Durch die Umbenennung werde das Thema der NS-Unrechtsjustiz beleuchtet. „Dafür muss man den Verlag loben“, sagt Zimmerer, warnt jedoch davor, es bei einem reinen Namenstausch zu belassen. Erst mit einem Verweis wie „vormals Palandt“ auf dem Titel sei die Aufarbeitung vollständig. Laut Beck-Verlag wird es in der neuen Ausgabe einen Link zu einer Grüneberg-Website geben, die auch über die Geschichte des Kurzkommentars informiert.
Aber auch der neue Name schafft Unmut. Nicht wegen Christian Grüneberg, der seit 2006 Richter am Bundesgerichtshof ist. Sondern wegen einer Alternative, die viele historisch und moralisch sinnvoller finden: Otto Liebmann, ein jüdischer Verleger, der 1933 seinen Verlag an den Beck-Verlag verkaufen musste. Sein Verlag begründete Anfang des 20. Jahrhunderts die Form des Kurzkommentars – Liebmann trug also viel mehr zum Palandt bei als Otto Palandt selbst, der nie einen Paragrafen kommentiert hat. Er verfasste lediglich das Vorwort und eine den Nationalsozialismus preisende Einleitung. Für die IPU hat der Verlag mit dem Verzicht auf den Namen Liebmann die „Chance verpasst, der vielfach vergessenen Opfer der NS-Herrschaft zu gedenken“.
Der Palandt ist nicht das einzige juristische Nachschlagewerk, das wegen der unrühmlichen Vergangenheit der bisherigen Herausgeber umbenannt wird. Auch die bisherige Gesetzessammlung Schönfelder sowie die Kommentare von Maunz und Blümich werden künftig anders heißen.
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