Fahrradkuriere in Berlin: Gorillas feuert Mitarbeiter

Protest vor der Gorillas-Zentrale in Berlin. Mehr als 300 Rider sollen ihre Jobs verloren haben, weil sie sich an wilden Streiks beteiligt haben.

Protest vor der Gorillas Zentrale in Berlin

Protest vor der Gorillas Zentrale in Berlin Foto: dpa

BERLIN taz | Es ist laut vor dem Hauptsitz des Lieferdienst-Start-ups Gorillas in der Schönhauser Allee in Pankow. Mehrere Dutzend Menschen stehen Mittwochmittag auf der Straße, schlagen mit Löffeln auf Kochtöpfe und blasen Trillerpfeifen. „Gorillas #WeFireYouIn10Minutes“ steht auf einem Transparent, in Anspielung an das Kundenversprechen des Unternehmens, maximal 10 Minuten nach Bestellung zu liefern.

Der Streit bei dem Lieferdienst hat eine weitere Eskalationsstufe erreicht. Gorillas hatte am Dienstag in Berlin und Leipzig zahlreiche Beschäftigte entlassen, die sich an dem Streik für bessere Arbeitsbedingungen beteiligt haben. Auf Nachfrage der taz begründete die Pressestelle des Unternehmens die Kündigungen mit den seit Freitag in einer Reihe von Gorillas-Lagern stattfindenden „unangekündigten wilden Streiks“ und der Blockierung von Notausgängen. „Solche unangekündigten, spontanen und nicht gewerkschaftlich getragenen Streiks sind rechtlich unzulässig“ heißt es weiter. Man sehe sich gezwungen, das Arbeitsverhältnis mit denjenigen MitarbeiterIn­nen, die sich an Streiks beteiligt hätten, zu beenden. Angaben zu der Zahl der entlassenen Mitarbeiter mache man nicht.

Der Streit um die Arbeitsbedingungen bei Gorillas tobt schon seit Monaten (taz berichtete). Nach Informationen von Verdi sollen diese Woche 350 Beschäftigte von Gorillas eine Kündigung erhalten haben. „Das ist nicht akzeptabel“, sagte Verdi-Sekretär Daniel Nikolovic am Mittwoch zur taz. „Weil Beschäftigte für ihre Rechte eingetreten sind, wird ihnen von heute auf morgen die Existenzgrundlage entzogen.“

Leiharbeiter springen ein

Beschäftigte von Gorillas berichteten der taz, einige mündlich ausgesprochene Kündigungen seien am Mittwoch von Gorillas wieder zurückgenommen worden. „Das Unternehmen probiert, die Warenhäuser von den aktiven Beschäftigten zu säubern“, sagte Duygu, die im Bergmannkiez arbeitet. Dort sei der Betrieb am Mittwoch wieder mit Leih­ar­bei­te­r*in­nen von Zenjob aufgenommen worden.

Ein Besuch im Gorilla Warehouse am Kaiserkorso, das den Bergmannkiez beliefert, bestätigte das. Die Tür zum Warenlager steht offen, drinnen sieht man Leute Waren einpacken. Die Streikplakate, die am Montag noch an den Fensterscheiben hingen, sind verschwunden. Einige von den Riders seien gerade bei der Demo vor der Zentrale in der Schönhauser Allee, sagt ein Rider. Wie es weitergehe, wisse er nicht, das würden die dann entscheiden. Er selbst sei ziemlich abgegessen, sagt der Mann auf Englisch. Er werde seinen Vertrag noch erfüllen und sich dann nach anderen Arbeitsmöglichkeiten umsehen.

Pascal Meiser, stellvertretender Vorsitzender der Linken und gewerkschaftspolitischer Sprecher seiner Partei im Bundestag, sprach am Mittwoch von einem gefährlichen Eskalationskurs des Gorillas-Managements. „Gorillas muss sich endlich mit ihren streikenden Kurieren und den Gewerkschaften an einen Tisch setzen und verhandeln“, schrieb er in einer Mitteilung. Hier räche sich, dass die große Koalition im Bund nichts gegen den anhaltenden Befristungswahn getan und auch die betriebliche Mitbestimmung nicht gestärkt habe.

You’re terminated

Unter den DemonstrantInnen vor der Zentrale ist am Mittwoch auch Chantal X. Ihr Gesicht versteckt sie hinter einer Papiermaske, auf der das Gesicht von Kağan Sümer abgebildet ist, dem Geschäftsführer von Gorillas. Auf ihre schwarze Jacke hat sie ein weißes Blatt Papier geklebt, auf dem das Wort „terminated“ – auf deutsch „gefeuert“ – und ein böser Smiley steht. Sie hat ein halbes Jahr als Riderin für die Gorillas gearbeitet. Keine 24 Stunden sei es her, dass sie gekündigt worden sei, erzählt sie. Der Leiter ihres Warenhauses habe nach dem Streik angerufen. „You’re terminated“ habe er in den Hörer geschrien. „Allein in meinem Warenhaus wurden mindestens elf Mit­ar­bei­te­r*in­nen auf diese Art entlassen“, sagt die – nun ehemalige – Riderin.

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