Andreas Speit
Der rechte Rand
: Warum in Neumünster die „Titanic“ untergeht

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Rechtsrockstar Hannes Ostendorf kam am vergangenen Samstag mit seiner Band „Kategorie C – Hungrige Wölfe“ in die „Titanic“, das rechte Szenelokal in Neumünster. Seinen Duettpartner Xavier Naidoo, mit dem er den Song „Deutschland krempelt die Ärmel hoch“ aufgenommen hat und darin fragt: „Die starken Männer, wo sind sie bloß?“, hatte er nicht dabei. Und die Chance ist wohl auch vertan, denn es dürfte der letzte Auftritt der rechtsextremen Hooligan-Band aus Bremen in der Gaststätte gewesen sein.

Der Lokalbetreiber und NPD-Stadtratsherr Horst Micheel muss die „Titanic“ aufgeben, weil der neue Besitzer der Immobilie eine neue Nutzungsverwendung anstrebt. Mit einer Anfrage in der Ratsversammlung wollte Micheel erfahren, inwieweit die Stadt Neumünster bei dieser Planung involviert sein könnte. Ohne Erfolg, die Anfrage blieb ohne Antwort.

Verschiedene zivilgesellschaftliche Gruppen von Demokratie-Vereinen bis Antifa-Initiativen protestieren seit Jahren gegen den Szenetreff in der schleswig-holsteinischen Stadt. Auch am vergangenen Samstag gingen rund 100 An­ti­fa­schis­t:in­nen gegen das Konzert auf die Straße – etwa 300 Meter von der Gaststätte entfernt an einer Polizeiabsperrung.

Im Laufe des Abends kamen an die 50 Rechtsrockfans aus dem Norden zu dem Event. Einer von ihnen Jan-Steffen Holthusen, einst Aktivist der Kameradschaft „Hamburger Sturm“ und der NPD. „Geschlossene Gesellschaft“ stand an der Eingangstür, durch die die Rechten eintraten.

In Neumünster besteht schon lange eine rechte Szene. Seit 2005 entwickelte sich die „Titanic“ zum Szenetreff in der Innenstadt. Am Rande der Stadt unterhielt die Kameradschafts-Szene um Peter Borchert bis 2014 den „Club 88“. Der Zahlencode steht für die Botschaft „Heil Hitler“. Als der Club nach 18 Jahren schloss, wurde die „Titanic“ zum neuen Treffpunkt.

Unter der Leitung von Micheel fanden in der Gaststätte Konzerte, Liederabende und NPD-Treffen statt. Vor der Pandemie trat am 15. Februar vergangenen Jahres die Dortmunder Rechtsrockband „Oidoxie“ live auf. Die Band um Sänger Marko Gottschalk gehört zum verbotenen Netzwerk „Blood & Honour“, jenem Netzwerk, das dem NSU-Kerntrio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate ­Zschäpe die erste Wohnung, das erste Geld und die erste Waffe besorgte.

Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

In der Öffentlichkeit versuchte der Betreiber das Image etwas aufzupolieren, indem er Schlagerpartys, Skat- und Dart-Turniere ausrichtete. Aus dem Umfeld der „Titanic“ wurde aber auch ein Fußballturnier für die eigene Szene ausgerichtet.

Bis zur Schließung der „Titanic“ möchte Micheel offenbar nicht untätig sein. Für den 1. Oktober ist ein Konzert mit einer lokalen ­Rockabilly-Band angekündigt.