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Letzte Chance Jamaika

Noch hat Armin Laschet die Rückendeckung der Unionsspitze, Verhandlungen über eine Koalition mit Grünen und FDP zu führen. Geht das schief, droht dem CDU-Vorsitzenden Ungemach. Statt Kanzler zu werden, könnte er als Hinterbänkler enden

Für CDU-Chef Armin Laschet geht es um die politische Zukunft Foto: Fabrizio Bensch/reuters

Von Sabine am Orde

Am Montag rudert Armin Laschet etwas zurück. Einen „Regierungsauftrag“ könne die CDU aus dem Wahlergebnis nicht ableiten, sagte der CDU-Chef nach der Sitzung der Parteigremien – und davon habe er auch am Wahlabend nicht gesprochen. Das stimmt aber nur halb, denn Laschet hatte zwar das Wort nicht verwendet, den Auftrag aber durchaus formuliert. Das Zurückweichen soll nun etwas mehr Demut signalisieren und jene in den eigenen Reihen einfangen, die jetzt zu bedenken geben, ob denn wirklich eine Regierung mit Laschet an der Spitze die richtige Konsequenz aus dem Wahldebakel am Sonntag sei.

Besonders im Osten ist das Entsetzen groß. Sachsens ­Ministerpräsident Michael Kretschmer ist der Erste, der sich am Montag aus der Deckung wagt. Das Wahlergebnis sei ein Erdbeben gewesen und habe eine ganz klare Wechsel­stimmung gegen die CDU gezeigt, sagte Kretschmer dem MDR. Ihm erschließe sich ­deshalb die Haltung nicht, von einem Regierungsauftrag zu sprechen. Diese Linie liege genau auf dem bisherigen Kurs, der zum Absturz der Union geführt habe, und sei nicht ­zukunftsfähig. In Sachsen ist die AfD bei der ­Bundestagswahl stärkste Kraft geworden, die CDU landete ­hinter der SPD nur auf Platz drei.

Sachsen-Anhalts CDU-Chef Sven Schulze pflichtete Kretschmer bei. Das Wahlergebnis sei eine „Katastrophe“, an der nichts schönzureden sei, schrieb Schulze auf Twitter. Carsten Linnemann, Chef der Mittelstandsvereinigung der Union, nannte das Wahlergebnis in der Welt „einen Schlag in die Magengrube“ und forderte, der nächste CDU-Vorsitzende müsse von den Mitgliedern gewählt werden. „Wenn das so bleibt, sind wir nicht mehr Volkspartei“, konstatierte Präsidiumsmitglied Norbert Röttgen. Die Lage sei derzeit so, dass die SPD vorne liege. Das gelte es zu respektieren. Die Regierungsbildung sei ein offener Prozess.

Röttgen hatte am Vorabend noch mit Laschet auf der Bühne im Konrad-Adenauer-Haus gestanden, als dieser – nach Absprache mit CSU-Chef Markus Söder – verkündet hatte, dass man nun versuchen wolle, eine Jamaika-Koalition mit Grünen und FDP zu bilden. Absturz ins Kanzleramt, so hatte daraufhin Der Spiegel getitelt.

Und man kann es in der Tat – je nach Blickwinkel Chuzpe oder auch Realitätsverweigerung nennen, das Wahldebakel von CDU und CSU als eine Art Regierungsauftrag zu deuten: Die Union hat noch einmal fast 9 Prozent verloren, dabei war das Ergebnis 2017 auch schon mies. Und nun hat man das schlechteste Ergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik eingefahren. Die SPD liegt mit anderthalb Prozent vorne. Und, auch das zeigen alle Umfragen klar: Die große Mehrheit der Wäh­le­r:in­nen will Laschet als Kanzler nicht.

Doch all das ist jetzt nicht entscheidend. Was letztlich zählen wird: Schafft Laschet es, Grüne und FDP auf seine Seite zu ziehen. Er habe bereits mit FDP-Chef Lindner geredet, sagte Laschet am Montagmittag, später wolle er mit Annalena Baerbock sprechen, der Grünen-Chefin.

Auch im Präsidium, so ist zu hören, musste sich Laschet harsche Kritik anhören. Es werde eine breite Aufarbeitung des Wahlergebnisses geben, sagte denn auch Generalsekretär Paul Ziemiak im Anschluss an die Sitzung auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Laschet. In der Sitzung sei es um Selbstkritik gegangen, aber auch um „staatspolitische Verantwortung für dieses Land“. In der Lesart der Union heißt das: Dass man eine vermeintliche Linksregierung verhindern muss.

„Wenn das so bleibt, sind wir nicht mehr Volkspartei“

Norbert Röttgen, CDU

Noch scheint die vorherrschende Meinung in der CDU-Spitze zu sein: Laschet soll es mit Jamaika versuchen. Denn natürlich hängt die Union an der Macht, zudem graut es ihr vor den innerparteilichen Auseinandersetzungen beim Gang in die Opposition. „Bundesvorstand und Präsidium sind sich einig, dass wir zu Gesprächen für eine Jamaika-Koalition bereitstehen“, sagte denn auch der CDU-Chef. Wenn das allerdings schiefgeht, dürfte es das mit seiner politischen Karriere gewesen sein. Einen Rücktritt Laschets als CDU-Chef forderte am Montag nur die Werteunion, jene kleine, radikale Splittergruppe am rechten Rand der Union, die weitgehend ohne Relevanz ist.

Laschet muss nun alles auf diese eine Karte setzen. Nach Nordrhein-Westfalen zurück kann er nicht. Und am Sonntagabend hatte er bereits angekündigt, nicht für den Fraktionsvorsitz kandidieren zu wollen, das einflussreichste Amt, sollte die Union in der Opposition landen. Ralph Brinkhaus, der Amtsinhaber, hat bereits angekündigt, erneut antreten zu wollen. Auch anderen, darunter Jens Spahn, werden Ambitionen nachgesagt. Im Präsidium allerdings soll es Auseinandersetzungen darüber gegeben haben, ob der Vorsitz am Dienstag für ein Jahr gewählt oder zunächst kommissarisch bis zum Ende der Koalitionsverhandlungen weitergeführt werden soll.

Für Laschet hängt also alles daran, ob es Jamaika geben wird. Gelingt es ihm nicht, eine Koalition zu schmieden, wird er den Parteivorsitz verlieren. Statt Kanzleramt droht ihm dann eine der Hinterbänke im Bundestag. Was ihn dazu führen könnte, Grünen und FDP sehr weit entgegenzukommen – was er selbst naturgemäß weit von sich weist. Er betonte, es gebe zwei Schlüsselbegriffe bei den Verhandlungen: „Zukunftskoalition und Nachhaltigkeit“. Das eine stehe für Modernisierung, das andere für Klimaschutz, aber auch für eine nachhaltige Finanzpolitik. Das korrespondiere zum Teil mit den Vorstellungen der FDP, zum Teil mit denen der Grünen. Die Sondierungen will Laschet möglichst schnell führen, durchaus auch parallel zu denen der SPD. Dabei solle es nicht ums „Klein-Klein“ gehen, sondern darum, ob sich die Parteien ein gemeinsames Bündnis zutrauen. Doch zuerst sind ohnehin die FDP und die Grünen am Zug, die angekündigt haben, erst einmal miteinander zu sprechen.