: Zu befangen fürs Bibelgutachten
Im Berufungsverfahren um den schwulenfeindlichen Bremer Pastor Olaf Latzel lehnt die Staatsanwaltschaft den theologischen Gutachter Christoph Raedel ab. Der hatte Homosexualität als Sünde bezeichnet
Die Staatsanwaltschaft Bremen hat den umstrittenen theologischen Gutachter Christoph Raedel im Berufungsverfahren um den wegen Volksverhetzung verurteilten Pastors Olaf Latzel abgelehnt. „Wir haben heute beim Landgericht beantragt, den Gutachter wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen“, sagte der Sprecher der Bremer Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Frank Passade, am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Mit einer Entscheidung des Gerichts sei in den kommenden Tagen zu rechnen.
Der Gießener Theologieprofessor Raedel war in der vergangenen Woche vom Landgericht Bremen zum Gutachter im Berufungsverfahren um den Bremer St.-Martini-Pastor Latzel berufen worden. Anhand eines zwischen dem Gericht, der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft abgestimmten Fragebogens sollte Raedel darlegen, ob Latzels schwulenfeindliche Äußerungen möglicherweise durch die Bibel gedeckt seien. In diesem Fall könnte laut einem Sprecher des Landgerichts die Religionsfreiheit stärker zu bewerten sein als die Meinungsfreiheit.
Kritik von Kirchenrechtlern
Raedel hatte auf Nachfrage des epd erklärt, er vertrete die Auffassung, dass Homosexualität nicht mit der christlichen Lehre vereinbar sei und als Sünde bezeichnet werden müsse. Dies hatte zu heftiger Kritik von Theologen, Kirchenrechtlern und Verfassungsexperten geführt. Der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig sagte: „Was die Bibel ‚wirklich‘ sagt, ist im säkularen Rechtsstaat nun wirklich keine sinnvolle Frage für ein Gerichtsgutachten.“
Auch die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland, der Raedel angehört, hatte sich von den Äußerungen des Mannes distanziert. Seine Aussagen zu Homosexualität habe er als Privatperson getätigt, nicht im Namen der methodistischen Kirche.
Pastor Olaf Latzel war im vergangenen November vom Amtsgericht Bremen wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, umgewandelt zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 90 Euro verurteilt worden. Latzel hatte nach Überzeugung des Gerichts in einem auf Youtube verbreiteten „Eheseminar“ zum Hass gegen Homosexuelle aufgestachelt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, weil Latzels Verteidiger Berufung eingelegt haben. Das Berufungsverfahren wird nach Angaben des Landgerichts vermutlich Anfang kommenden Jahres beginnen. (epd)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen