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Parteien zum Kohleausstieg 2038Plötzlich wollen alle früher raus

Bisher wollte Olaf Scholz am Kohleausstieg 2038 festhalten. Nun bekennt sich der SPD-Kanzlerkandidat bei einer Diskussion zu 2034 als möglichem Ziel.

Hier ist wohl früher als bisher geplant Schluss: Braunkohlekraftwerk Jänschwalde Foto: Patrick Pleul/dpa

Berlin taz | So schnell können sich Positionen weiterentwickeln: Noch in der vergangenen Woche haben die Kanzlerkandidaten von Union und SPD, Armin Laschet und Olaf Scholz, Änderungen beim vereinbarten Kohleausstieg eine Absage erteilt. „Wir haben klare Vereinbarungen getroffen“, hatte Scholz gesagt – in Bezug auf das Gesetz und den Vertrag mit den Kohlebetreibern, der einen Ausstieg spätestens im Jahr 2038 vorsieht. „Und diese Vereinbarungen gelten und sollten auch eingehalten werden.“

Bei Umweltverbänden und Wis­sen­schaft­le­r*in­nen hatte das für Unverständnis gesorgt, denn die von der Bundesregierung beschlossenen deutschen Klimaziele sind mit einem Kohleausstieg erst 2038 unvereinbar. Und diese Kritik scheint beim SPD-Kandidaten angekommen zu sein. Bei einer Online-Diskussion der Vereinigung Klima-Allianz und des Deutschen Naturschutzrings am Dienstag äußerte sich Scholz nämlich ganz anders.

Auf die Frage der Moderatorin, ob im Jahr 2034 noch ein Braunkohlekraftwerk am Netz sein werde, erklärte er zwar zunächst nur ausweichend: „Die Antwort hängt davon ab, wie schnell wir einsteigen in den Ausbau der erneuerbaren Energien.“ Doch dann erklärte Scholz: „Das will ich aber erreichen.“

Und zwar egal, mit wem die SPD koalieren würde: Über diesen Punkt würde es offenbar nicht mehr viel Streit geben. Denn auch CDU/CSU-Fraktionsvize Andreas Jung, der statt des eigentlich geladenen Kanzlerkandidaten Armin Laschet an der Diskussion teilnahm, bekannte sich klar zu einem früheren Kohleausstieg.

Durch Verschärfung des EU-Emissionshandels erzwungen

Dieser werde durch die Verschärfung des EU-Emissionshandels erzwungen werden, sagte Jung – und ergänzte: „Deshalb ist meine persönliche Prognose, dass wir beschleunigt aus der Kohleenergie aussteigen werden, und zwar zu diesem von Ihnen genannten Zeitpunkt“ – also dem Jahr 2034, nach dem die Moderatorin gefragt hatte. Inwieweit Jung dabei für die gesamte Union spricht, ist zwar offen – aber immerhin hatte er als einer der wenigen Klimaexperten der Partei (manche sagen auch: der einzige) zusammen mit Laschet die Klimaziele der Partei präsentiert.

Und auch von der FDP gab es keinen Widerspruch: „Ich will auch, dass wir den Ausstieg bis dahin schaffen“, sagte Generalsekretär Volker Wissing, der den eingeladenen Parteichef Christian Lindner vertrat.

Streit dürfte es höchstens noch darüber geben, ob es nicht noch schneller gehen muss: Sowohl die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock als auch Linken-Parteichefin Janine Wissler sprachen sich in der Debatte – wie auch in ihren Parteiprogrammen – für einen Kohleausstieg schon 2030 aus. Dies stünde auch im Einklang mit den Zielen das Klimaschutzgesetzes.

Doch mögliche Koalitionsverhandlungen, das hat sich am Dienstag gezeigt, dürften bei dieser Frage sehr viel einfacher werden als bisher gedacht. Dass der Kohleausstieg deutlich beschleunigt werden muss, scheint mittlerweile bei allen Parteien angekommen zu sein.

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15 Kommentare

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  • Jung und Wissing vermuten lediglich, dass die Kohle vor 2034 durch den Emissionshandel erledigt sein wird. Sie sind nicht für ein Vorziehen eines gesetzlich bestimmten Termins.

  • Der Kohleausstieg rückt jetzt mit jeder Woche vor der Wahl ein Jahr näher - optional, versteht sich. Alles weitere regelt dann später ein Bundesgesetz nach Vorlage durch die Kohlelobby.

  • Wenn wir auf die Politiker warten, passiert alles nur in Zeitlupe. Jeder kann selbstbestimmt Kunde bzw. Mitglied bei Genossenschaften sein, wann immer möglich. Dort kann dann demokratisch beschlossen werden, welche Energieversorgung genutzt wird. So wird Umwelt, Gesellschaft und Politik direkt gestaltet.

    • @RED:

      Das ist richtig. Man kann und sollte auch, soweit vorhanden, sein Vermögen entsprechend anlegen - egal wie groß oder klein, es gibt mittlerweile viele Möglichkeiten, Geld grün UND profitabel anzulegen, und es wird immer einfacher, sie zu finden.



      Aber wir brauchen sämtliche Hebel, alle, die es gibt. Weder Politik noch Wirtschaft können außen vorbleiben, noch die Zivilgeselschaft.



      Also müssen unsere Politiker:innen ein Fitnessprogramm aufgezwungen bekommen, dass ihnen hören und sehen vergeht. Wer schon ein Konzept dafür hat, bitte hier schreien :o)

  • Altbekanntes Motto in der Politik:



    "Nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht"

  • Wenn man sich die konkrete Politik von Laschet, Scholz & Co anschaut, wird das eines der Wahlversprechen sein, das als erstes gebrochen wird. Versprechen ist auch eher der falsche Ausdruck - eher eine Art Köder damit doch nicht so viele Leute Grün wählen. Und es wird damit gerechtfertigt wollten, dass die Leute doch betrogen werden wollten, es konnte doch keiner wissen und so.

    Wenn es diesen Parteien entgegen meines Eindrucks ernst ist, dann sollten sie mal ganz schnell eine Sondersitzung des Bundestags einberufen und *vor* der Wahl ein entsprechendes Gesetz verabschieden, das durch eine Sperrminorität geschützt ist, also z.B. im Grundgesetz abgesichert. An Dringlichkeit fehlt es nicht, den der katastrophale Zerfall von klimatischen Wettermustern wartet nicht bis Oktober und schon gar nicht bis 2038.

    • @jox:

      ja genau ein gesetz zum ausstieg aus der kohle 2030 vor der wahl ohne einen cent an entschädigung für die kohlekarftwerksbetreiber mit sperrmiorität.dann werden wir ja sehn was die betroffenheit heuchelnden in gummistiefeln laschet und scholz wieder für ausreden finden

    • @jox:

      Genau so schaut es aus....In 4 Jahren wird es heißen, ohh das haben wir nicht geschafft.



      Da sollten die Medien auch wesentlich schärfer mal die Leute zur Rede stellen. Aber das passiert ja dann nicht. Lieber fragt man kleinere Parteien wie sie Klimaschutz bezahlen wollen, etc .etc.

  • Die Ziele kommen von alleine. Die poppen zu jeder Wahl erneut auf. Auch die Zieljahre.

    Nur mit der Umsetzung hapert es noch bei allen Parteien laut FridayForFuture. Die ernüchternde Bilanz ist, das keine Partei in die Pötte kommt.

    Auch die Grünen nicht wie sich leicht in Kommunen und Bundesländer beobachten läßt, wo diese bereits seit Jahrzehnten Regierungsverantwortung tragen.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    "Plotzlich wollen alle früher raus"



    "Wer raus geht muss auch wieder reinkommen." (Herbert Wehner)

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Ich gehe davon aus, dass es Verträge gibt. Wenn man früher raus will, muss man dafür bezahlen. Kennen wir doch.



    Da kommen dann wieder Milliarden auf den Steuerzahler zu.



    Viel wichtiger aber ist, dass der Öko-Strom nach Süddeutschland gelangt.



    Hier sollte es eine Notverordnung geben. Die Menchen, die das blockieren, sollten großzügig entschädigt werden und umziehen.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Bayern erzeugte 2018 schon zu 80% CO2-armen Strom, überwiegend Kernenergie (52%). Diese 52% der Stromproduktion fallen demnächst aber komplett weg, und werden durch Importe ersetzt; leider viel Kohlestrom dabei, d.h. die g CO2/kWh in Bayern werden ordentlich hochgehen.



      Den Sinn davon braucht man nicht verstehen, Kopfschütteln reicht.

  • Im Endeffekt ist 2030 ja heute schon gesetzt. Im Klimaschutzgesetz stehen für die Energiewirtschaft 108 Mio. Tonnen CO2 als Budget, damit lässt sich Kohle de facto nicht mehr betreiben. Die entscheidende Frage ist, ob man bis dahin die erneuerbaren Energien schnell und stark genug ausbaut, was mit RGR auf jeden Fall kommen würde.

    Das der gesetzliche Kohleausstieg nicht auf 2030 gezogen wird finde ich verständlich. Da droht hohes Entschädigungspotenzial bei Kraftwerksfirmen und viel Zoff mit den Bundesländern, in denen Kohlekraftwerke stehen. Wie Linke und Grüne das lösen wollen und ob das überhaupt sinnvoll ist, Kraft da rein zu stecken, dass lassen sie leider offen. Da machen sie es sich meiner Meinung nach zu leicht.

    • @Yannik Beermann:

      > Das der gesetzliche Kohleausstieg nicht auf 2030 gezogen wird finde ich verständlich. Da droht hohes Entschädigungspotenzial bei Kraftwerksfirmen und viel Zoff mit den Bundesländern, in denen Kohlekraftwerke stehen.

      Wird da nichts gemacht, drohen Entschädigungs- und Enteignungsklagen von Seiten der nächsten Generation und Zoff mit den Jüngeren. Anscheinend ist da aber noch nicht genug Druck, ohne massiven zivilen Ungehorsam auch der Scientists For Future und Eltern scheint sich da nicht genug zu bewegen.

      • @jox:

        @JOX: Das sehe ich ganz genauso: Eltern (und ihre Altersgenossen) müssen wütend werden! Diese Argumentation, dass Klimaschutz ein Luxus ist, der nicht durchgerechnet ist, ist eine der dreistesten Lügen der Änderungsverhinderer.



        Was wirtschaftlich nicht durchgerechnet und auch nicht darstellbar ist, ist das Weiterso. Da sind Klagen der nächsten Generation nur ein Symptom oder eine Konsequenz aus einem entstandenen Schaden, den wir uns nie und nimmer leisten können - auch die Mittvierziger nicht, zu denen ich gehöre.



        Wir werden sehr unerfreuliche Aspekte des Klimawandels noch selbst miterleben UND wir werden zur Rechenschaft gezogen werden wie einst die Kriegsgeneration von den 68ern: Warum haben wir nicht mehr getan? Warum ging es im Wahlkampf '21 IMMER NOCH ums Gendern, um Straßennamen und um "das Recht auf billige Inlandsflüge"??



        Und wir werden dann ganz schön alt aussehen. Denn wenn man mit 18 auch glaubt, die Welt selbst und allein retten zu müssen, sollte man mit 45 verstanden haben, dass man ans System ranmuss - und lernen, wie das geht, wenn man es noch nicht wusste...

        Ich kann mich da leider keineswegs ausnehmen. Aber ich arbeite dran.



        Aufgabe 1a) ist jedenfalls, den Grünen und der SPD Druck zu machen und den restlichen Parteien die Wahrheit ins Gesicht zu schreien.



        Jeder suche sich den nächstgelegenen Wahlstand und die email-Adressen seiner Bundestagskandidaten :o)

        (das wird jetzt hoffentlich nicht dreimal gepostet, falls doch, sorry)