: Poser drängeln sich durch
Das Durchfahrtsverbot der Sielwall-Kreuzung an den Wochenend-Nächten zeigt Wirkung: Autos weichen vermehrt in die Nebenstraßen aus und nerven dort mit röhrenden Motoren
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VonTeresa Wolny
Eine gute Idee mit Mängeln, so könnte man die Sperrung der Sielwallkreuzung an den Wochenenden vermutlich am ehesten bezeichnen. Seit Ende Juni sind alle Zufahrten der Kreuzung samstags und sonntags von 21 bis 5 Uhr gesperrt, weil es immer wieder Beschwerden von Anwohner:innen und Gastronom:innen über den Lärm von Autoposer:innen gab.
Die Sperrung: Grundsätzlich eine gute Idee, darin sind sich Anwohner:innen und Politik weitgehend einig. Die Mängel: Autoposer:innen lösen sich weder in Luft auf noch bleiben sie mit ihren Protzkarren zu Hause. Sie weichen stattdessen oft schlicht in die Nebenstraßen aus, ungeachtet dessen, dass auch dort – wie im Falle des Fehrfelds – ein Durchfahrverbot besteht. Der Sicherheitsdienst vor Ort sei machtlos und wirke überfordert, hatte ein Restaurantbesucher am vergangenen Wochenende an der Kreuzung von Fehrfeld und Linienstraße festgestellt. Seine Beobachtungen samt Verbesserungsvorschlägen hat er in einer Mail, die auch der taz vorliegt, an das Ortsamt Mitte geschickt.
Für Hellena Harttung, Leiterin des Ortsamts Mitte und Adressatin der Mail, ist das Problem des ausweichenden Verkehrs durch die Sperrung nichts Neues. „Wir befassen uns bereits mit einer Nachjustierung, weil es natürlich Beschwerden aus mehreren Straßen gibt.“ Das Ortsamt selbst habe keine Befugnis, die Baken so umzustellen, dass auch die unmittelbaren Nebenstraßen der Kreuzung gesperrt wären. Man sei jedoch im Gespräch mit dem Innen- und dem Verkehrsressort. Letzteres wiederum hat den Vorschlag, die Sperrung weiter zurückzuziehen, zur Prüfung an das Amt für Straßen und Verkehr (ASV) weitergereicht. Auch mit dem Sicherheitsdienst, der vom Verkehrsressort beauftragt ist, wird man sich laut Sprecher Jens Tittmann in Verbindung setzen. Allerdings seien viel weitreichendere Maßnahmen nötig, um den Autolärm langfristig einzudämmen. „Dafür bräuchte es eine Änderung der Straßenverkehrsordnung und der Zulassungsordnung“. Das gehe jedoch nur auf Bundesebene, etwa im Verkehrsausschuss des Bundesrates, in dem Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne) derzeit Vorsitzende ist.
Mittelfristig soll die Sperrung der Sielwallkreuzung statt mit Baken und Sicherheitsdienst mit Schranken durchgesetzt werden. „Dabei gilt es momentan zu prüfen, wo diese am meisten Sinn ergeben“, so Tittmann. Dass statt der Polizei ein privater Sicherheitsdienst die Kontrolle übernimmt, hat personelle Gründe: „Die Sperrung wird nicht von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten überwacht, weil sie dringend an vielen anderen Brennpunkten in der Stadt benötigt werden“, heißt es aus dem Innenressort. Dennoch kontrolliere die Polizei an den Wochenenden den Verkehr in den Nebenstraßen. Anders als Anwohner:innen und Gastronom:innen sieht sie jedoch keine Zunahme der Autoposerei in Bremen (taz berichtete).
Nachdem sich die Polizei in der Nacht zu Sonntag von Partyvolk attackiert sah, kündigte sie an, dieses Wochenende die Präsenz im Viertel zu erhöhen. Dabei wolle sie auf Kommunikation und Deeskalation setzen. Am Osterdeich sollen außer Beamt*innen auch helle Leuchten aufgestellt werden.
Eine besondere Sicherheitslage verursacht das Fußballspiel zwischen SV Werder Bremen und FC Hansa Rostock am Sonntagmittag.
Die CSD-Veranstaltungen werden dagegen wohl nur Verkehrsstörungen verursachen.
Autolärm ist derzeit nicht das einzige Problem im Viertel. Anwohner:innen berichten darüber hinaus von gestiegenen Aggressionen auf der Straße, Respektlosigkeit und Dreck. Auslöser dafür sei vor allem die Pandemie mit all ihren Nebenwirkungen gewesen: geschlossene Kneipen, Alkoholverkauf to go und ein „Stau an Energien“, wie Hellena Harttung es ausdrückt. Mit mehr Angeboten in der Stadt wie etwa offenen Klubs und Bars werde es auch im Viertel wieder etwas entspannter, hofft sie.
Im Juli hat sich eine neue Anwohner:innen-Ini gegründet, um auf die Probleme aufmerksam zu machen. „Viele Frauen fühlen sich nachts unsicher. Sie möchten respektvoll behandelt werden und sich nicht durch Diskussionen den Weg zum Hauseingang freikämpfen müssen“, heißt es in einem Brief der Initiative an die Nachbarschaft.
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