: Eine medizinische und politische Frage
Impfen für Schüler:innen? Reaktionen auf GMK-Beschluss fallen unterschiedlich aus
Von Hanno Fleckenstein
Wahlkampfgetöse oder überfällige Entscheidung? Der Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz (GMK), Jugendlichen ab zwölf Jahren flächendeckend Impfungen zu ermöglichen, bleibt umstritten. Die Runde hatte am Montag dafür gestimmt, auch Jugendlichen ohne Vorerkrankungen Coronaschutzimpfungen in Impfzentren und Arztpraxen anzubieten – obwohl die Ständige Impfkommission (Stiko) bislang keine generelle Empfehlung zu Impfungen in dieser Altersgruppe abgegeben hat.
Der Deutsche Städtetag begrüßte die Entscheidung. Mit Impfungen könne man den Präsenzunterricht an Schulen absichern, erklärte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy in den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Kinder und Jugendliche brauchen nach den langen Strapazen der Pandemie endlich wieder das Miteinander in der Schule.“
Kritik kommt hingegen von Ärzteverbänden. Am Ende sei es eine medizinische und keine politische Frage, wer wann geimpft werden sollte, stellte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, in der Rheinischen Post klar. Und aus medizinischer Sicht reiche die Studienlage noch nicht aus, um eine generelle Impfempfehlung für alle gesunden Jugendlichen auszusprechen, so Gassen.
Auch beim Deutschen Hausärzteverband herrscht Kopfschütteln über die Entscheidung. „Das Ganze klingt ein wenig nach Wahlkampfgetöse“, kritisiert der Bundesvorsitzende des Verbands, Ulrich Weigeldt, gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Obwohl sich die Stiko schon bald erneut zu Impfungen für Jugendliche äußern will, habe man sich voreilig über die bestehende Empfehlung hinweggesetzt. Das sei verantwortungslos, weil das zu Verunsicherung führt, meint Weigeldt.
Und was sagen die Jugendlichen selbst dazu? Der Landesschülerausschuss (LSA) Berlin sieht den Beschluss der GMK mit gemischten Gefühlen: „Insgesamt unterstützen wir es, wenn Kinder und Jugendliche geimpft werden. Trotzdem ist es wichtig, dass die Meinung der Stiko berücksichtigt wird“, sagte LSA-Sprecher Rufus Franzen der taz. Man brauche niedrigschwellige Beratungsangebote für alle Schüler:innen – ohne dass die Jugendlichen gedrängt werden, sich impfen zu lassen. Dann befürworte man auch mobile Impfteams an Schulen, erklärte Franzen. Er sieht aber die Gefahr, dass das wichtigste Ziel der Anticoronamaßnahmen in der aktuellen Diskussion aus dem Blick gerät: Das sei der bestmögliche Schutz für alle. „Kinder unter zwölf Jahren zum Beispiel können nur wirksam geschützt werden, wenn ihr Umfeld geschützt ist – vor allem die Eltern und die Lehrer:innen. Und deshalb müssen wir alles dafür tun, so viele Erwachsene wie möglich zu impfen. Impfungen für Jugendliche sind da nur ein kleiner Baustein“, meint Franzen.
Mit dieser Einschätzung stimmt er mit Kinderärzt:innen und der Ständigen Impfkommission überein. Der Stiko-Vorsitzende Thomas Mertens sagte am Montag gegenüber der taz, er halte die Debatte für eine „Stellvertreterdebatte“. Der Impfstoff sei schließlich da, nur ließen sich nicht genügend Leute impfen. Die Impfung von Kindern und Jugendlichen spiele für den Pandemieverlauf keine große Rolle. Deshalb sei keine Eile geboten – man habe Zeit, um eine abschließende Einschätzung zu Impfungen bei Jugendlichen auszuarbeiten.
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