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Radschnellnetz für HamburgSternfahrt nach Hamburg

Neun schnelle Routen sollen Pend­le­r:in­nen aus dem Umland nach Hamburg bringen. Doch bis zur Umsetzung wird es noch dauern.

Viel hilft viel: Auf 300 Kilometer Länge soll das Radschnellnetz nach Hamburg führen Foto: Markus Brandt/dpa

Hamburg taz | Es sind viele Behörden und Amtsstuben, an denen es nun hängt, ob die großen Pläne auch umgesetzt werden: Am Montag hat die Metropolregion Hamburg, der Zusammenschluss der Hansestadt mit seinem Umland, die Pläne für ein 300 Kilometer langes Netz an Radschnellwegen vorgestellt.

„Wir sind die erste Metropolregion in Deutschland, die sich ein so umfassendes Netz vorgenommen hat“, freut sich Hamburgs Staatsrat für Verkehr, Andreas Riekhof (SPD). Doch mehr als grobe Trassen sind noch nicht festgelegt.

Sternförmig sollen sie künftig nach Hamburg hineinführen: Drei Strecken starten im Norden – in Elmshorn, Bad Bramstedt und Ahrensburg. Hinzu kommt der Radschnellweg aus Geesthacht im Osten. Südlich der Elbe sollen Pend­le­r:in­nen aus Stade, aus Tostedt über Buchholz und aus Lüneburg Hamburg besser erreichen können.

Ergeben haben sich diese Verläufe aus einer Machbarkeitsstudie, an der in den vergangenen drei Jahren zehn Planungsbüros beteiligt waren. Alle Beteiligten zeigen sich am Montag zudem stolz darüber, dass Bür­ge­r:in­nen sowie betroffene Verwaltungsstellen über ein zweistufiges Verfahren in die Trassenfindung eingebunden war.

Fördergelder dank Machbarkeitsstudie

Für die Metropolregion Hamburg ist die Studie ein erster Schritt von vielen großen, die bei der Entstehung des Radnetzes noch folgen. Neben Hamburg und den kreisfreien Städten Lübeck, Neumünster und Schwerin gehören der Metropolregion weitere 17 Landkreise an. Insgesamt leben hier rund 5,3 Millionen Menschen. „Erste Abschnitte sind bereits in Planung und sogar im Bau“, sagt Projektkoordinatorin Susanne Elffer­ding.

Insgesamt sei aber die Umsetzung noch am Anfang – und sowieso könne sich die Ausgestaltung wegen der Überwindung von Länder-, Kreis- und Gemeindegrenzen noch als anspruchsvoll erweisen: Es brauche gute Kommunikation zwischen den Behörden.

Mehr als 350.000 Menschen pendeln täglich zur Arbeit nach Hamburg

Mit dem Vorlegen einer Machbarkeitsstudie lassen sich zunächst notwendige Fördergelder des Bundes beantragen. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte mit dem neuen nationalen Radverkehrsplan ein milliardenschweres Konjunkturprogramm für Fahrradwege angekündigt. Erst nach der Bewilligung gehe es dann, so Elffer­ding, an die konkrete Streckenführung mitsamt der zu stellenden Bauanträge.

Wie dringend nötig ein gut ausgebautes Netz ist, zeigt ein Blick auf die Zahlen der täglichen Pendler:innen: Mittlerweile fahren mehr als 350.000 Menschen täglich zur Arbeit nach Hamburg – und abends wieder zurück. Das sind 30 Prozent mehr als noch im Jahr 2000. Und die Prognosen, etwa des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI), sehen die Zahl in den kommenden Jahren weiter steigen.

ADFC bemängelt Qualität

Deshalb ist auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) im Grundsatz zufrieden mit dem Vorhaben. „Radschnellwege sind ein wichtiger Baustein, um die Pend­le­r:in­nen aus dem Hamburger Umland weg vom Auto zu kriegen“, sagt Dirk Lau vom ADFC Hamburg.

Skepsis herrscht dort jedoch darüber, ob Hamburgs Radwege die dann wachsende Zahl an Rad­fah­re­r:in­nen aufnehmen können. „Was heute an Radwegen da ist, reicht schon jetzt nicht mehr aus“, sagt Lau. Die innerstädtischen Velo­routen, in die die Radschnellwege münden sollen, müssten dafür eigentlich massiv zulasten des Autoverkehrs ausgebaut werden.

Außerdem hat die Machbarkeitsstudie gezeigt, dass durchgehende kreuzungsfreie Radschnellwege nicht überall umgesetzt werden könnten. Vier Meter breit, so wie es der ADFC für Radschnellwege fordert, werden die Strecken auch nicht allerorts. „Für den Titel 'Radschnellweg’ reicht der geplante Standard oft gar nicht“, sagt Lau.

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4 Kommentare

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  • manchmal hülfe überland schon ne differnziertere beschilderung. nich nur die scenic route mit 50 Prozent blümchen-umweg grün (bzw. rot) ausschildern, sondern auch - und als solche erkennbar - die kürzeste route von a nach b, meist straßenbegleitende radwege. vielleicht blau beschriftete schilder zusätzlich ?

  • Teil 2:



    Zudem ist das Projekt mit 131 Mio. Euro alles andere als preiswert. Rechnet man normalerweise mit Kosten von 1 – 1,5 Mio. Euro pro Kilometer RSW, kommt diese Planung auf 131 Mio. Euro, geteilt durch 42,9 km = 3,05 Mio. Euro/km, also das das doppelte bis dreifache! Das ist viel Geld und produziert viel Graue Energie für einen Radweg den später kaum jemand (gerne) benutzten wird.

    Gleichzeitig, und das dürfte dem Projekt letztlich den Garaus machen, läuft dieser Radweg den Zielen der Kieler Landesregierung zuwider, die sich die Förderung des Radtourismus im S-H-Binnenland auf die Fahnen geschrieben hat und die in diesem Marktsegment den 3. Platz unter den Bundesländern anstrebt. Der Radtourismus ist ein Milliardengeschäft mit zweistelligen Zuwachsraten und Tourismus ist mit 5,6% am Bruttosozialprodukt eine wichtige Säule der Wirtschaft im nördlichsten Bundesland. Zugleich erfordert der Radtourismus nur vergleichsweise geringfügige Investitionen. Während Hamburg das reichste Bundesland ist, ist Schleswig-Holstein unter den alten Bundesländern das ärmste. Und weil beide Länder direkt nebeneinander liegen, schreit es danach, hier einen attraktiven Radweg „mit Staubsaugereffekt“ anzulegen, doch wer diesen Weg ein Mal gefahren ist, wird es freiwillig kein zweites Mal tun.

    Die schwarz-grüne Kieler Landesregierung wäre mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn sie dieser Planung zustimmen würde.

    • @H-J Maass:

      schwarz-grün-GELBE Landesregierung wäre korrekt gewesen.

  • Teil 1:



    Zu den vielen Dingen, die die Grünen gerade versemmeln, gehört auch der Radschnellweg Hamburg – Bad Bramstedt, kurz: RSW HH2BB.

    Wenn man davon ausgeht, dass die Verhinderung oder vielmehr Begrenzung der Erderhitzung inzwischen das oberste Ziel der Verkehrspolitik sein muss, dann muss man feststellen, dass das Fahrrad bzw. das E-Bike momentan das einzige Verkehrsmittel ist, dass man als nachhaltig bezeichnen kann. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit dem Radverkehr den roten Teppich auszurollen, um möglichst viele Menschen auf das Fahrrad zu locken. Die vorliegende Planung des RSW HH2BB tut das genaue Gegenteil.

    72% aller Radfahrer bevorzugen Strecken abseits des Autoverkehrs. Eigentlich sollte es kein großes Problem sein, diesem Wunsch am Stadtrand und im ländlichen Raum zu entsprechen, doch der RSW HH2BB, der eine Strecke von 35,8 km überwindet, verläuft auf 19,8 km parallel zu hochbelasteten Straßen auf denen der Autoverkehr, da vorwiegend außerorts, überwiegend mit Tempo 80 km/h und mehr dahin brettert.

    Gleichzeitig ist der Radverkehr außerordentlich umwegsensibel. Und weil es in der flachen Landschaft nur wenige Zwangspunkte gibt (wie die Umfahrung des Flughafengeländes, die Querung des Autobahnzubringers zur AS Quickborn und die Querung der A7 auf Höhe Kaltenkirchen) hätte auch das eigentlich kein Problem sein dürfen. Doch die Planer benötigen für die Überwindung der 35,8 km Luftlinie ganze 42,9 km, was einem Umweg von ca. 20% entspricht.

    Die Kombination aus sinnlosen Umwegen, monotonen Strecken, Verlärmung und Luftverpestung macht diesen Radweg höchst unattraktiv. Der örtliche Radverkehr kennt deutlich kürzere und wesentlich angenehmere Wege und wird diesen Radweg genauso wenig annehmen wie der ortsfremde Radtourist, der heute schon zu über 50% nach Navi fährt. Daher wird der Weg schwerlich auf die erforderlichen 2.000 Nutzer am Tag kommen, die erforderlich sind um überhaupt förderungsfähig zu sein.