piwik no script img

Berliner Senat mit Jein zum VolksentscheidKeine einheitliche Haltung

Kommentar von Stefan Alberti

Die Stellungnahme zum Volksentscheid über die Enteignung großer Wohnungseigentümer parallel zu den Wahlen ist da: Rot-rot-grün sagt weder Ja noch Nein.

Den Wahlunterlagen liegt dieses Jahr auch eine Stellungnahme des Senates bei (Symbolfoto) Foto: Gregor Fischer/dpa

D as hätte man sich sparen können: Die Stellungnahme des Senats zum Volksentscheid über die Enteignung großer Wohnungseigentümer parallel zu den Wahlen am 26. September sagt weder „Ja“ noch „Nein“ und beschränkt sich auf ein paar weithin bekannte Anmerkungen und Argumente. Diese wenig sagenden knapp 5.000 Zeichen erst gar nicht zu verschicken, würde die Informationssendung an alle Wahl- und Abstimmungsberechtigten vielleicht verbilligen können und hätte damit doch noch etwas Gutes gehabt.

Denn Grundidee einer solchen Stellungnahme ist ja, jenen eine Handreichung zu geben, die sich noch keine Meinung gebildet haben, die aber vielleicht wissen wollen, wie ihre Landesregierung dazu steht. Schließlich bekommt die Initiative, die den jeweiligen Volksentscheid trägt – in diesem Fall „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ –, von der Wahlleitung dafür genauso viel Platz eingeräumt.

Dass tatsächlich viele der rund 2,5 Millionen Berliner, an die diese Stellungnahme nun im August geht, bewusste 5.000 Zeichen lesen, ist allerdings sowieso mehr ein frommer Wunsch: Im Vergleich zu dieser Infosendung ist fast jedes Wahlprogramm optisch attraktiver aufbereiteter Lesestoff.

Dass „Jein“ der Stellungnahme kann aber auch nicht überraschen, wenn die den Senat tragenden Parteien zum Abstimmungsthema bekanntermaßen seit vielen Monaten unterschiedliche Meinungen haben. 2014, beim Volksentscheid gegen die geplante Bebauung am Tempelhofer Feld, waren sich die damaligen Koalitionäre SPD und CDU einig, beim jetzigen Thema Enteignung aber liegen SPD, Linkspartei und Grüne weit auseinander.

Kein allein herrschender König

Deshalb war es am Dienstag sehr schlicht von den Christdemokraten, sofort nach der Senatssitzung mit gleich zwei Pressemitteilungen von Fraktion und Partei zu reagieren und der Landesregierung die Handlungsfähigkeit abzusprechen. Ein „Dokument politischer Ohnmacht“ ist die Stellungnahme aus CDU-Sicht und „eine mietenpolitische Niederlage der SPD und ihres Regierenden Bürgermeister, der sich in dieser richtungsweisenden Entscheidung nicht durchsetzen kann“.

Wenn aber Uneinigkeit bei einer Frage sofort zu dieser Einschätzung führte, wäre schnell jede, aber auch jede Landesregierung als handlungsunfähig einzuordnen, in der nicht eine Partei allein regiert. Und was das Durchsetzen angeht: Richtlinienkompetenz hin oder her – ein Regierender Bürgermeister ist kein allein herrschender König.

Wenn in einer Koalition von drei Parteien nur eine Enteignungen klar ablehnt, kann da einfach keine klare Position rauskommen, die alle drei unterschreiben. Wenn die CDU tatsächlich anderes erwartet, offenbart das ein merkwürdiges Demokratie- und Führungsverständnis.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!