Stellungnahme des Senats zu DW Enteignen: Politik mit Zahlen

Der Stellungnahme des Senat zum Volksbegehren ist nur scheinbar neutral. Die Nennung hoher Entschädigungskosten ist tückisch.

Matthias Kollatz und Miachael Müller sitzen nebeneinander auf einer Pressekonferenz

Finanzsenator Matthias Kollatz hat keine DW Enteignen-Mappe. Bürgermeister Michael Müller auch nicht Foto: dpa

Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Übersetzt auf Berlin könnte das heißen: Wenn sich SPD und Linke streiten, freut sich Deutsche Wohnen & Co enteignen. Weil beide Parteien entgegengesetzte Ansichten zur Vergesellschaftungsinitiative vertreten, bleibt eine eindeutige Positionierung des Senats zum Volksentscheid aus.

Die Volksinitiative hat also das Privileg, dass ihrem Text in den Amtlichen Wahlunterlagen, die am 15. August an alle Wahlberechtigten verschickt werden, keine Stellungnahme des Senats gegenübersteht, die die Wäh­le­r*in­nen auffordert, die Initiative abzulehnen. Die in dieser Frage ebenso zerstrittene Koalition im Abgeordnetenhaus wird gar nicht mit einem Text vertreten sein. Für DW Enteignen ist das ein Vorteil, denn viele Wäh­le­r*in­nen werden sich anhand dieser Unterlagen erstmals mit dem Vorhaben beschäftigen.

Der vage Kompromisstext, auf den sich der Senat am Dienstag, auch mit Zustimmung der hier passiven Grünen einigte, bietet dennoch so einige Fallstricke und für die Initiative wenig förderliche Argumente. Das notwendige Vergesellschaftungsgesetz wird als „politisch und juristisch umstritten“ bezeichnet.

Noch brisanter ist die Nennung von Zahlen, die sich aus der Kostenschätzung des Senats ergeben. Demnach sei von „Entschädigungskosten von 29 bis 39 Mrd. Euro“ auszugehen – inklusive eines Zuschusses aus dem Landeshaushalt von 6 bis 9 Milliarden. Die scheinbar neutrale Betrachtung hat es in sich, vermittelt sie doch: Das Vorhaben, das 224.000 Wohnungen in die öffentliche Hand überführen will, ist viel zu teuer.

Die 39 Milliarden liegen noch einmal drei Milliarden über der Höchstgrenze, die in der Kostenschätzung vom März 2019 angegeben wurden. Grund dafür ist die Fortschreibung der Zahlen anderthalb Jahre später, um die weitere Marktpreisbildung abzubilden. Alle Geg­ne­r*in­nen haben es nun schwarz auf weiß. Selbst der rot-rot-grüne Senat rechnet mit Kosten von fast 40 Milliarden Euro. Die Zahl wird in den kommenden Monaten sehr, sehr häufig zu hören sein.

Tatsächlich aber sind die Senatszahlen politisch motiviert, weder unter Ex­per­t*in­nen diskutiert, noch zwingend notwendig. Schon der Aufschlag von drei Milliarden im Vergleich zur ersten Rechnung zeigt, dass sich hier an Marktwerten orientiert wird. Doch das Gesetz verlangt das nicht. Für Entschädigungskosten bei Vergesellschaftung ist im Grundgesetz lediglich eine Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten gefordert. Auf Grundlage einer Definition des allgemeinen Interesses kommt die Initiative selbst lediglich auf Kosten von 8 bis 10 Milliarden. Die hierfür notwendigen Kredite wären ohne Belastung des Haushalts vollständig aus den Mieteinnahmen zahlbar.

Welche Entschädigungen schlussendlich fällig werden, ist also keineswegs ausgemacht. Dass es die Höchstzahlen dennoch in den Senatstext geschafft haben, ist der SPD zu verdanken, die das Begehren unbedingt scheitern sehen will. Die Linke hat das geschehen lassen.

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Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".

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