Schwere Kämpfe um Stadt in Afghanistan

Taliban-Kämpfer sind in die Provinzhauptstadt Kala-i-Naw im Nordwesten des Landes eingerückt

In Afghanistan haben sich Regierungstruppen und Taliban am Donnerstag am zweiten Tag in Folge heftige Kämpfe um die Provinzhauptstadt Kala-i-Naw geliefert. Über der Stadt in der nordwestlichen Provinz Badghis stiegen dicke Rauchwolken auf. Das afghanische Verteidigungsministerium teilte in der Nacht mit, es habe Hunderte Soldaten in die Stadt geschickt, um einen „groß angelegten Einsatz“ zu starten.

Am Mittwoch waren die Taliban in die etwa 75.000 Einwohner zählende Stadt eingedrungen. Laut Berichten besetzten sie kurzzeitig mehrere Polizeireviere und Stützpunkte des Geheimdienstes, öffneten die Tore des Stadtgefängnisses und ließen Hunderte Gefangene frei.

Am Donnerstag befanden sie sich nach Angaben von Bewohnern noch immer in der Stadt. „Man kann sie auf ihren Motorrädern fahren sehen“, sagte Asis Tawakoli, ein Einwohner der Stadt. „Die Geschäfte sind geschlossen, es ist kaum jemand auf der Straße.“ Fast die Hälfte der Einwohner sei geflohen. Hubschrauber und Flugzeuge hätten die ganze Nacht hindurch Ziele der Taliban bombardiert. Am Donnerstag wurden nach Angaben des Leiters der Gesundheitsbehörden von Badghis, Abdul Latif Rostaee, zehn verletzte Zivilisten in das Krankenhaus der Stadt gebracht, darunter Frauen und Kinder. Die Kämpfe scheinen sich auch auf die Nachbarprovinz Herat auszuweiten, wo die Behörden einräumten, in der Nacht zwei Bezirke verloren zu haben.

Der Sturm auf Kala-i-Naw begann wenige Stunden nach der Erklärung der US-Armee, dass ihr Rückzug aus Afghanistan zu 90 Prozent vollzogen sei. Auch der Großteil der britischen Truppen hat das Land verlassen. „Aus naheliegenden Gründen werde ich nicht den Zeitplan unseres Abschieds verkünden“, sagte Premierminister Boris Johnson am Donnerstag im Parlament in London. „Aber ich kann dem Unterhaus mitteilen, dass der Großteil unserer Einheiten bereits abgezogen ist.“ (afp, dpa)