Bericht zum Stand der Einheit: Ost-Wirtschaft holt nur langsam auf

Laut dem Ostbeauftragten gleichen sich die alten und neuen Länder in vielen Bereichen an. Bei politischen Einstellungen bleiben die Unterschiede derweil massiv.

Marco Wanderwitz zeigt bei der Vorstellung des Jahresberichts der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2021 den Abschlussbericht der Arbeitsgruppe ·Zukunftszentrum für Europäische Transformation und Deutsche Einheit

Ostbeauftragter Marco Wanderwitz bei der Vorstellung des Berichts zum Stand der deutschen Einheit Foto: Kay Nietfeld/dpa

BERLIN afp/rtr | Auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung hängt die ostdeutsche Wirtschaft hinter dem Westen zurück und holt nur langsam auf. Nach dem am Mittwoch vom Bundeskabinett gebilligten Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit betrug das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2020 rund 77,9 Prozent des westdeutschen Niveaus, Berlin mitgerechnet waren es 82,8 Prozent. 2010 lag dieser Wert bei 69,6 Prozent (mit Berlin bei 74,2 Prozent).

„Der Trend ist somit eindeutig: Der Abstand zwischen Ost und West baut sich weiter schrittweise ab“, heißt es in dem Bericht. „Die Zahlenvergleiche machen aber zugleich deutlich, dass es auch gut 30 Jahre nach dem Fall der Mauer noch einen klar erkennbaren Abstand in der Wirtschaftskraft zwischen Ost und West gibt.“

Zugleich nahmen die regionalen Unterschiede in Ostdeutschland zu. Dabei hatten besonders Berlin und das Berliner Umland in den vergangenen fünf Jahren deutlich aufgeholt. Die Hauptstadt habe im Jahr 2020 bei der Wirtschaftsleistung sogar erstmals den gesamtdeutschen Durchschnitt erreicht.

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz (CDU), sagte, es gebe zwar weiterhin schwächere Regionen im Osten. Von einer generellen Strukturschwäche könne aber keine Rede mehr sein. Deshalb gebe es auch keine Förderung eigens für die strukturschwachen Regionen im Osten mehr, sondern generell für entsprechende Gebiete im Bundesgebiet. Hier gehe es um bestimmte Indikatoren. „Himmelsrichtungen spielen dabei keine Rolle.“

Scharfe Kritik an AfD-Wähler:innen

Wanderwitz bekräftige auch seine umstrittene Haltung zum Wahlverhalten der Menschen in den ostdeutschen Ländern, wo die AfD zumeist mehr Stimmen erhält als im Westen. Es sei nicht zu bestreiten, dass „wir alle in einer Diktatur sozialisiert worden sind“, betonte der CDU-Politiker mit Blick auf die DDR-Vergangenheit. Dies sei eine Beschreibung des Ist-Zustandes. „Wenn ich eine rechtsradikale Partei wähle, dann ist doch etwas nicht in Ordnung mit mir“, fügte er hinzu. „Das machen doch Demokratinnen und Demokraten nicht.“

„Wer mit einer Reichskriegsflagge an der Bundesstraße steht, mit dem kann man schwer reden“, fügte Wanderwitz hinzu. Das seien aber auch nicht alle. Da müsse es ein Dialogangebot geben. „Aber es kann doch nicht die Reaktion der Politik sein, dass als Dank für rechtsradikales Wählerverhalten eine besonders liebevolle Ansprache gewählt wird.“ Vielmehr müsse klar gesagt werden: „Das macht man nicht, das gefährdet die Demokratie.“

„Die politischen Einstellungen in den neuen und den alten Ländern gehören zu den wenigen verbleibenden Feldern, auf denen man weiterhin charakteristische Unterschiede findet“, heißt es im Jahresbericht weiter. Kennzeichnend dafür sei eine in den neuen Ländern – im Vergleich zu den alten Ländern – durchgängig skeptischere, distanziertere und auch kritischer ausgeprägte Grundeinstellung gegenüber Politik.

Bei allen Unterschieden seien die Differenzen jedoch „durchweg gradueller und nicht substanzieller Art“. So hätten sich laut einer Umfrage im Jahr 2020 in den alten Ländern 25 Prozent und in den neuen Ländern 33 Prozent der Befragten als „Mensch zweiter Klasse“ empfunden. Die Unterschiede seien keineswegs so erheblich, dass sie das Zusammenwachsen in Deutschland grundsätzlich infrage stellten.

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