Ehrengrab für Reinhard Lakomy: Es geht um Würdigung, Anerkennung

In der DDR kannte jedes Kind den Musiker, der auch Hymnen aufs Leben gesungen hat, die alle kennen sollten: Nun bekommt Reinhard Lakomy ein Ehrengrab.

Das Grab von Reinhard Lakomy im April 2013 in Berlin auf den Friedhof Blankenburg

Schon zu ehren: Das Grab von Reinhard Lakomy 2013 Foto: picture alliance/dpa

Am Mittwoch hat Marco Wanderwitz (CDU), der Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Länder, kundgetan, dass 31 Jahre nach der Wiedervereinigung viele Ostdeutsche wohl eine ausgeprägte Politik- und Demokratieskepsis an den Tag legen würden. Die Ursachen dafür sollen seinem „Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit“ zufolge vielfältig sein. Manche würden die DDR-Diktatur verklären, andere hätten negative Transformationserfahrungen gemacht, seien von der Demokratie enttäuscht, fühlten sich benachteiligt oder ihrer Lebensleistung beraubt.

Was kann man da machen? Anerkennung ist ein Stichwort. Zuwendung ein anderes. Würdigung ein drittes.

Das kann so aussehen, mal als Beispiel, dass in Ostdeutschland kräftig investiert wird. Tatsächlich soll in einer ostdeutschen Stadt ein Zukunftszentrum entstehen, mit den Erfahrungen der Einheit sollen Brücken geschlagen und Umbruchprozesse erforscht werden. Keine schlechte Idee, stehen uns doch solche bevor, man denke nur ans Klima. Frankfurt (Oder) hat sich als Standort beworben: direkt an der Grenze zu Polen ein ideales Domizil für so ein Zukunftslabor.

Und Berlin? Die Hauptstadt hat in dieser Woche einen kleinen, eher symbolischen Schritt getan, der jedoch einen hohen Sympathie- und Empathiewert aufweist. Klaus Lederer (Linke), gebürtiger Schweriner, twitterte am Dienstag nach der Senatsentscheidung freudig erregt: „Der Senat hat heute auf meinen Vorschlag auch beschlossen, das Andenken an Reinhard #Lakomy zu würdigen.“

Der Senat hat den in Berlin beerdigten Sänger und Musiker (1946–2013) in den Kreis derer aufgenommen, die eine Ehrengrabstätte erhalten. Laky, wie er von Fans genannt wurde, hat sein Grab auf einem Friedhof im Pankower Stadtteil Blankenburg gefunden.

Neun weitere Persönlichkeiten „von besonderer Bedeutung für die Stadt“ werden mit einem Ehrengrab geehrt. Damit sind es nun insgesamt 683 Ehrengräber – darunter die Gräber von lediglich (!) 79 Frauen. Neu dabei sind seit Dienstag unter anderem Rio Reiser (1950–96), der auf dem Alten St. Matthäus-Friedhof in Schöneberg beerdigt ist (man könnte an Proporz glauben, wenn ein toter Ossi, dann muss auch ein toter Wessi geehrt werden!?). Aber auch die Biologin und NS-Widerstandskämpferin Maria Gräfin von Maltzan (1909–1997) ist darunter.

Wichtiger als Blümchen gießen ist die symbolische Bedeutung

Worum geht es bei dieser Form der (nachträglichen) Würdigung für besondere Verdienste, die frühestens fünf Jahre nach dem Tod für zunächst 20 Jahre währt? Das zuständige Bezirksamt übernimmt die Kosten für die Grabpflege. Immerhin. Wichtiger als Blümchen pflanzen und gießen ist in diesem Fall jedoch die symbolische Bedeutung.

Ostdeutsche Le­se­r:in­nen werden mit seinem Namen viel anfangen können. Westdeutsch geprägte (okay: auch viele jüngere generell) eher weniger. Reinhard Lakomy hat mit dem „Traumzauberbaum“ ein ganzes Kinderlieder-Universum geschaffen. Davor hat er sich mit elektronischer Musik einen Namen gemacht, durchaus weltweit (man frage die Leute von Tangerine Dream). Und weit davor, Anfang der 1970er, grandiose Lieder eingespielt und gesungen.

Eins meiner Lieblingslieder heißt „Und ich geh’ in den Tag“ – eine Art Hymne aufs Leben. Lakomy lohnt eine Internetrecherche und Hörproben! Wenn schon nicht zu seinen Lebzeiten, dann eben jetzt. Auch eine Form von Würdigung.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

In der DDR geboren, in Westmecklenburg aufgewachsen, Stahlschiffbauer (weil Familientradition) gelernt, 1992 nach Berlin gezogen, dort und in London Kulturwissenschaften studiert, 1995 erster Text für die taz, seit 2014 im Lokalteil Berlin als Chef vom Dienst und Redakteur für Kulturpolitik & Queeres.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.