Eröffnetes Humboldt Forum in Berlin: Zwingburg der falschen Gesten
Das Berliner Stadtschloss steht seit jeher für Überlegenheit. Sein undemokratischer Charakter zieht sich bis ins Jetzt – durch das koloniale Raubgut im Innern.
Nun kann man nicht mehr erahnen, dass das durch den brandenburgischen Kurfürsten ab 1443 begonnene Schloss zunächst eine Zwingburg war. Es sollte die Stadtbürger in Schach halten. Auch der berühmte „Berliner Unwille“ konnte 1448 die Herrschaft der Hohenzollern nicht abschütteln.
So undemokratisch fängt die Geschichte des Schlosses an. Als dann Andreas Schlüter dem „König in Preußen“ anlässlich seiner Krönung in Königsberg im Jahr 1701 eine standesgemäße erweiterte Residenz baute, waren die barocken Formen bei einem römischen Palazzo abgeguckt. Das Humboldt Forum prunkt also heute genauso wie zu Hochzeiten des Feudalabsolutismus. Eine Mehrheit des deutschen Bundestags, der die Rekonstruktion im Jahr 2002 beschloss, sah darin kein Problem.
Einsprüche aber gibt es aktuell zuhauf. Nicht mehr der Abriss des zuvor hier stehenden Palastes der Republik ist das Skandalon, sondern das koloniale Raubgut im Inneren des Humboldt Forums. Es fragt sich nun, ob nicht schon die Fassaden einen falschen Geist ausstrahlen, lief doch der Weg unter den Hohenzollern schnurstracks hinein in Kolonialismus und Imperialismus. Das von Eosander von Göthe eingefügte Westportal im Schloss wiederholt sogar die Form des Triumphbogens des Septimius Severus aus dem Jahre 203, errichtet nach den Siegen über die Parther. Die Geschichte ist oft grausam gegenüber den Besiegten; zuweilen wird ihnen noch das Wertvollste als Beute entrissen.
Sich barocke Fassaden zurückzuholen und dazu die im 19. Jahrhundert ergänzte Kuppel mit Kreuz und der Aufschrift, „daß im Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Kniee, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind“, ist nicht bloß bauliche Rekonstruktion. Es handelt sich um die Wiederholung einer Überlegenheitsgeste.
So etwas kann man allenfalls ironisch zum Besten geben. Und so muss man wohl auch die Forderung des Fördervereins Palast der Republik e. V. zur Wiedererrichtung des geschleiften DDR-Baus verstehen: Mit fast denselben Slogans wie einst die Schlossfreunde beruft sich der Förderverein auf die Historie. Mit einem Unterschied: Jetzt gelte es, die „historische Mitte komplexer zu machen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos