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Die IS-Bezwingerin

Die Jesidin Salwa Khalaf Rasho wurde von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ entführt und misshandelt. Nach ihrer Befreiung flieht sie nach Deutschland, kehrt aber bald in den Irak zurück. Ihre Mission: Mädchen helfen, die das Gleiche erlebt haben wie sie

Salwa Khalaf Rasho kommt als Kind einer jesidischen Familie westlich von Mossul zur Welt. Der Alltag ist hart, ihre Familie lebt von der Landwirtschaft. Jede Hand wird gebraucht, auch Salwa packt oft von früh bis spät mit an. Erst im Alter von acht Jahren kann sie zur Schule, läuft jeden Morgen mit zweien ihrer Geschwister dorthin. Als sie neun Jahre alt ist, zieht ihre Familie ins Stadtzentrum von Sindschar, wo ihr Vater eine Keramikhandlung eröffnet. Sie hat gerade die 9. Klasse der Mittelschule absolviert, als die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) in ihre Stadt einfällt und den Träumen Salwas und Tausender Mädchen ein jähes Ende bereitet.

In den frühen Morgenstunden des 3. August 2014 startet der IS seinen Angriff auf den mehrheitlich von Je­si­d*in­nen bewohnten Distrikt Sindschar. Tausende Männer werden ermordet, Tausende Frauen gefangen genommen. Salwa versucht noch verzweifelt, mit einigen Mitgliedern ihrer Familie aus der Stadt zu entkommen. Doch sie fällt dem IS in die Hände, wird wie unzählige andere Mädchen verschleppt und versklavt. Zunächst bringt sie der IS zusammen mit Dutzenden anderen jesidischen Mädchen über Mossul nach Tal Afar und dann weiter in den Distrikt al-Ba’adsch. Dort sind sie Erniedrigungen, Folter sowie körperlicher und psychischer Misshandlung ausgesetzt. Einige ihrer Leidensgefährtinnen treibt dies in den Suizid.

Salwa versucht immer wieder zu fliehen und sich aus der IS-Gefangenschaft zu befreien. Nach acht Monaten, im April 2015, wird sie von einem Schmuggler, der für das Büro zur Rettung von Entführten im nordirakischen Dohuk arbeitet, befreit und wieder mit ihrer Familie zusammengeführt, die inzwischen im Vertriebenen-Camp Berseve lebt, im Distrikt Zaxo in der teilautonomen irakischen Region Kurdistan.

Mehrere Monate leben sie dort. Eines Tages erfahren sie von einem humanitären Programm der Bundesrepublik Deutschland: Etwa 2.000 jesidische Kinder, junge Mädchen und Frauen, die Opfer des IS geworden waren, sollen dort Aufenthalt und psychologische Unterstützung bekommen. Salwa ist eine von ihnen. Im Juni 2015 reist sie nach Deutschland aus. Einige Monate später macht sich auch ihre Familie auf den Weg nach Deutschland, wagt die gefahrenvolle Flucht über das Meer. Sie kommen wohlbehalten an, doch wird ihnen als Wohnort ein anderes Bundesland zugewiesen als das, in dem Salwa lebt.

Salwa, heute 24, arrangiert sich mit der Situation. Vormittags geht sie in den Deutschunterricht, nachmittags arbeitet sie. Mit dem Geld unterstützt sie in Not geratene jesidische Familien, die in Geflüchteten-Camps in der irakischen Region Kurdistan leben. Der Gedanke an die notleidenden Waisenkinder, die während der Schreckensherrschaft des IS in Sindschar ihre Angehörigen verloren haben, lässt sie nicht los.

Naven Symoqi

Die Journalistin aus Dohuk, sagt: „Wenn der Irak eine Frau als Präsidentin hat, dann wird es mein Land sein.“

Ende 2016 besucht sie vor Ort im Irak erstmals Waisenkinder in den Geflüchteten-Camps und verteilt Winterkleidung. Zurück in Deutschland spart Salwa zwei weitere Jahre lang Geld, sodass sie 2018 erneut in den Irak reisen kann. Dort organisiert sie Hilfsprogramme und Erholungsreisen für Waisenkinder, initiiert für sie Musik- und Malkurse. 2019 schließlich reist sie ein weiteres Mal in humanitärer Mission in den Irak. Immer öfter denkt sie nun darüber nach, wie es wäre, dauerhaft in ihre Heimatstadt zurückzukehren. Ende 2020 ist es so weit. Sie eröffnet in Sindschar ein Haushaltswarengeschäft und ein Restaurant mitten im Stadtzentrum. Ein ermutigendes Signal für Zehntausende Menschen aus ihrer Region, die ebenfalls fliehen mussten und bislang noch zögern, in ihre Häuser zurückzukehren.

Auch wenn sich ihre Familie nicht mit der Vorstellung anfreunden kann, dass sie alleine in Sindschar wohnt, ist sie glücklich dort, am Ort ihrer Kindheit. Salwa hält es für extrem wichtig, die Anliegen und Nöte der Menschen offen zur Sprache zu bringen. Über einen eigenen Youtube-Kanal thematisiert sie gesellschaftliche Probleme und bemüht sich um Unterstützung für Mädchen, die Misshandlungen durch IS-Kämpfer ausgesetzt waren, damit sie wieder am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und ihre traumatischen Erfahrungen hinter sich lassen können. Wie das funktionieren kann, versucht sie jeden Tag aufs Neue zu beweisen. Sich selbst und allen anderen auch.

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