Nach dem Vulkanausbruch im Kongo: Massenflucht aus Goma

Zehntausende verlassen die Millionenstadt am Fuße des Nyiragongo-Vulkans. Die Behörden warnen: Er könnte erneut ausbrechen – unter der Stadt.

Menschenmassen, die per Motorrad, Auto oder zu Fuß die Stadt Goma verlassen.

Nichts wie weg: Bewohner von Goma drängeln sich auf der Straße zum Hafen Foto: Moses Sawasawa/ap

BERLIN taz | Die Millionenstadt Goma am Fuß des ausgebrochenen Vulkans Nyiragongo im Osten der Demokratischen Republik Kongo wird größtenteils evakuiert. Das ordnete Ndima Kongba, der erst vor kurzem installierte Militärgouverneur der Provinz Nord-Kivu, am Donnerstag frühmorgens in einer Fernseh- und Radioansprache an. Als Grund nannte er wissenschaftliche Daten, die eine weitere Eruption von Lava „an Land oder unter Wasser“ derzeit nicht ausschließen.

„Es kann passieren, dass wir dann nur eine geringe oder gar keine Vorlaufzeit haben“, sagte Kongba. Die Rückkehr in die Häuser sei nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Behörden erlaubt.

Zehntausende Einwohner der Millionenstadt machten sich am Morgen auf den Weg: meist zu Fuß, bepackt mit allem, was sie tragen können. Eine lange Autoschlange staute sich Stoßstange an Stoßstange aus Goma hinaus gen Westen in Richtung der rund 20 Kilometer entfernten Kleinstadt Sake, die außerhalb der Risikozone liegt.

Abertausende Kongolesen, die im Osten der Stadt nahe der Grenze zu Ruanda leben, stürmten die Grenzposten, um im Nachbarland Schutz zu suchen. Weitere Tausende drängelten sich am Hafen, um per Schiff über den Kivu-See in die Stadt Bukavu überzusetzen.

Kratersee ist deutlich abgesackt

Die UN-Mission im Kongo (Monusco) hatte bereits am Mittwoch einen Großteil ihrer in Goma stationierten Mitarbeiter nach Bukavu abgezogen. Die Hotels der Hauptstadt der Nachbarprovinz Süd-Kivu sind voll. Im Laufe des Donnerstags wurde allerdings der Schiffsverkehr von Goma nach Bukavu eingestellt – nachdem die Flughäfen beider Städte bereits geschlossen worden sind und der Landweg als zu unsicher gilt.

In den vergangenen Tagen seit Ausbruch des Vulkans am Samstagabend hatte es in der ganzen Region zahlreiche starke Erdbeben gegeben. Einige waren sogar in der 130 Kilometer entfernten ruandischen Hauptstadt Kigali noch zu spüren. In Goma stürzten Häuser ein, es taten sich Risse im Asphalt auf. Aus einigen steigt siedende Lava auf.

Satellitenbilder und Luftaufnahmen, geschossen aus UN-Hubschraubern und mit UN-Drohnen, zeigen: Der Kratersee des Nyiragongo zehn Kilometer nördlich von Goma ist deutlich abgesackt, fast leer. Die meiste Lava trat bei der Eruption aus einem vorgelagerten Nebenkrater aus und lief die Flanke hinab in Richtung Stadt. Sie stoppte 300 Meter vor dem Flughafen, zerstörte aber die wichtige Handelsstraße, die aus Goma hinaus gen Norden führt.

UN-Hilfswerke haben 31 Tote und 40 Vermisste gezählt sowie mehr als 20.000 Menschen, deren Häuser und Äcker zerstört wurden. Hochspannungsleitungen sind durch die Lavamassen umgekippt, bis heute gibt es in den meisten Stadtvierteln von Goma keinen Strom.

Seismische Daten des Vulkanobservatoriums OVG in Goma lassen darauf schließen, dass die Magma jetzt aus dem Vulkankrater in unterirdische Kammern abgesackt ist, die zum Teil unterhalb der Stadt und des gewaltigen Kivu-Sees liegen.

Seit einem halben Jahr keine Messungen

Der mehrere hundert Meter tiefe Kivu-See ist eine zusätzliche explosive Bedrohung: In seinen Tiefen ist Methangas unter hohem Druck im Wasser gelöst. Eine Eruption des Seebodens könnte das hochentzündliche Gas wie bei einem gewaltigen Rülpser aufsteigen und explodieren lassen – dann könnten Millionen von Menschen an seinen Ufern mit einem Schlag sterben. Deswegen gilt der Kivu-See als der gefährlichste See der Welt.

Das OVG beobachtet die aktive Vulkankette in der Region mit Hilfe seismischer Geräte, die überall an den Flanken der Vulkane und in Goma selbst installiert sind. Gemeinsam mit der Monusco waren nach dem letzten Ausbruch des Nyiragongo 2002, als das Stadtzentrum fast vollkommen zerstört wurde, Notfallpläne und Warnstufen erarbeitet worden.

All dies habe aber am Samstagabend nicht funktioniert, klagen die Einwohner von Goma in den sozialen Medien. Die ersten Hinweise einer Eruption kamen von der Bevölkerung selbst, als Leute Fotos von einem glühenden Nachthimmel posteten und die Frage stellten, was los sei.

Die Vulkanologen geben an, sie hätten seit einem halben Jahr keine Messungen machen können, weil kein Geld da sei. Die finanzielle Unterstützung durch die Weltbank sei im vergangenen Jahr ausgelaufen – Kongos Regierung ist offenbar nicht eingesprungen. Das erweist sich jetzt als verheerend.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.