WTO-Tagung diese Woche: Verhandlung über Impfstoffpatente
Die WTO berät über die globale Verteilung der Coronavakzine. Der Globale Süden und NGOs machen Druck.
In dieser Woche könnte er zu einem Ende gelangen: Am Dienstag und Mittwoch steht bei der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf ein Antrag Indiens und Südafrikas auf der Tagesordnung. Eingereicht hatten die beiden Länder ihn bereits Anfang Oktober 2020, inzwischen wurde er modifiziert, um Bedenken der nördlichen Industriestaaten auszuräumen.
Zwar haben die USA, Neuseeland, Japan und die EU-Staaten Frankreich und Polen sowie auch China in den letzten vier Wochen ihre anfängliche Ablehnung einer Aussetzung der Patentschutzrechte aufgegeben. Doch Deutschland, Großbritannien, die Schweiz und die EU-Kommission blockieren den für eine positive Entscheidung erforderlichen Konsens in der WTO. Spätestens am Donnerstag will das EU-Parlament zum zweiten Mal innerhalb von drei Wochen eine Resolution verabschieden, in der die Abgeordneten die Kommission und die bislang noch widerständigen EU-Mitgliedstaaten zur Korrektur ihrer Haltung auffordern.
Um diese Forderung zu unterstützen, planen zahlreiche humanitäre und Menschenrechtsinitiativen bis zum Sonntag Aktionen und Kundgebungen vor den Regierungssitzen in Berlin, Bern und anderen Hauptstädten sowie an den Standorten von Pharmakonzernen. Sollte es bis zum Wochenende keine Einigung geben, dürfte das Thema auch den G-7-Gipfel im britischen Cornwall und das Treffen von US-Präsident Joe Biden mit der EU-Kommission Anfang kommender Woche beschäftigen.
In ihrem ursprünglichen, von weit über 100 WTO-Mitgliedstaaten unterstützten Antrag forderten Indien und Südafrika, die Patentschutzrechte „für Gesundheitsprodukte und -technologien ohne zeitliche Begrenzung“ auszusetzen. Das hatten alle Industriestaaten und auch China abgelehnt.
Der am 25. Mai vorgelegte revidierte Antrag, über den die Botschafter der WTO-Mitglieder nun verhandeln, listet im Detail alle zur Bekämpfung von Covid-19 erforderlichen Impfstoffe, Grundsubstanzen, Herstellungsverfahren und medizinische Ausrüstung, für die die Rechte ausgesetzt werden sollen – und begrenzt die Aussetzung auf maximal drei Jahre.
Gegenvorschlag der EU-Kommission
Am Freitag veröffentlichte die EU-Kommission einen Gegenvorschlag. Dieser sieht lediglich vor, den Einsatz von Exportbeschränkungen zu begrenzen und Lieferketten offen zu halten. Zudem sollen die Mitgliedsregierungen „Impfstoffhersteller und -entwickler nachdrücklich ermutigen und unterstützen, die Produktion auszuweiten“. Drittens plädiert die EU-Kommission dafür, notfalls Zwangslizenzen für die Impfstoffproduktion zu erteilen.
Diese Maßnahme wäre allerdings nach dem WTO-Vertrag zum Schutz handelsrelevanter geistiger Eigentumsrechte, TRIPS, schon jetzt möglich und bedarf keiner weiteren Entscheidung in der WTO. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen kritisiert zudem, „Zwangslizenzen dauern zu lange und brauchen zu viel Zeit – die die Weltgemeinschaft aktuell nicht hat“. Es sei „offensichtlich, dass der Vorschlag der EU eher das Ziel hat, die notwendigen Verhandlungen zur Aussetzung geistiger Eigentumsrechte zu verzögern“.
Peter Neher, Präsident des Deutschen Caritasverbandes, erklärte, dass die alarmierende Situation in Ländern des Globalen Südens eindrücklich zeige, wie nötig eine Patentfreigabe sei. Medico International und andere Hilfsorganisation verweisen auf eine kürzlich vorgelegte Studie der NGO Public Citizen. Danach könnten bei einer Patentfreigabe und einem von der Weltgesundheitsorganisation koordinierten Technologietransfer für 10 Milliarden US-Dollar binnen eines Jahres 8 Milliarden Dosen der rnNA-Impfstoffe von Biontec/Pfizer und Moderna hergestellt werden – genug für die ganze Weltbevölkerung.
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