Regierungsbildung in Israel: Aus der Zauber
Israels Ministerpräsident ist es nicht gelungen, eine neue Regierung zu bilden. Dies könnte das Ende der langen Ära Benjamin Netanjahu besiegeln.
![Israels Regierungschef winkt im Anschluss an die Parlamentswahl im März seinen AnhängerInnen zu Israels Regierungschef winkt im Anschluss an die Parlamentswahl im März seinen AnhängerInnen zu](https://taz.de/picture/4837764/14/27348525-1.jpeg)
V ielleicht wäre es anders gekommen, wäre der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Bob-Marley-Fan. Möglicherweise hätte er sich ein Abraham Lincoln zugeschriebenes Zitat, das Marley in seinem Klassiker „Get Up Stand Up“ verewigt hat, zu Herzen genommen: „You can fool some people sometimes, but you cannot fool all the people all the time.“
Nach vier Wochen verzweifelter Versuche, eine Koalition zusammenzuzimmern, musste der Regierungschef in der Nacht zu Mittwoch das Mandat zur Regierungsbildung wieder abgeben. Präsident Reuven Rivlin beauftragte stattdessen Oppositionsführer Jair Lapid Rivlin. Israel ist so nahe wie vielleicht noch nie in der vergangenen 12-jährigen Amtszeit von „König Bibi“ daran, einen neuen Ministerpräsidenten zu bekommen. Es wäre mehr als überfällig. Netanjahu hielt sich länger an der Macht als Staatsgründer David Ben Gurion.
Er weigerte sich trotz des gegen ihn geführten Korruptionsprozesses zurückzutreten und zwang die Israelis zu drei Neuwahlen innerhalb von zwei Jahren. Der Zauberer, wie er in Israel oft genannt wird, konnte sich bis zuletzt noch aus jeder Bedrängnis befreien. Doch jetzt scheint es sich endlich ausgezaubert zu haben. Zu oft hat er einstige Verbündete und Kooperationspartner betrogen und damit verschlissen. Benny Gantz zum Beispiel, ehemals Generalstabschef von der Mitte-Partei Blau-Weiß.
Kein Mensch, außer vielleicht Gantz in seiner politischen Unerfahrenheit selbst, glaubte, dass Netanjahu ihm, obwohl in der Regierungsvereinbarung ausgehandelt, im Rotationssystem den Posten des Ministerpräsidenten überlassen würde. Oder Gideon Sa'ar. Als der frühere Likud-Abgeordnete bei den internen Parteiwahlen Netanjahu herausforderte, brandmarkte ihn der Chef kurzerhand als Betrüger. Die Liste der von Netanjahu Verstoßenen ließe sich fortsetzen. Noch ist dies nicht das Ende von König Bibi.
Kein Kinderspiel
Jetzt steht die andere Seite vor der Aufgabe, eine Regierung zu bilden. Angesichts der ideologischen Differenzen, die das Anti-Bibi-Lager prägen, ist das alles andere als ein Kinderspiel. Was dem Anti-Bibi-Lager jetzt hilft, ist ausgerechnet Netanjahus schamloser Opportunismus. Denn in einem seiner letzten Manöver hat er Mansour Abbas, den Vorsitzenden der islamisch-konservativen Partei Ra'am, um ein Haar für seine Regierungskoalition gewinnen können – nachdem er jahrelang gegen arabische Israelis gehetzt hat.
Gescheitert ist diese Kooperation lediglich an den ultrarechten Hardlinern von der Partei Religiöser Zionismus. Was jahrzehntelang undenkbar war, ist nun legitim: eine Regierungskoalition mit Beteiligung arabischer Parteien. Dem Anti-Netanjahu-Block kommt dies jetzt zu Gute. Denn ohne die Unterstützung arabischer Parteien werden die Netanjahu-Gegner*innen auf keine Mehrheit kommen. Der Zauberer hat sich selbst überlistet.
Man kann, frei nach Lincoln und Marley, eben eine ganze Menge Leute reinlegen, aber am Ende legt man sich dabei selber rein.
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