Schwindende Bedeutung des Suezkanals: Das Nadelöhr liegt anderswo
Die „Ever Given“ ist freigekommen, der Suezkanal wieder offen. Dabei hat der für den Welthandel längst nicht mehr die Bedeutung wie früher.
![Containerschiff im Suezkanal Containerschiff im Suezkanal](https://taz.de/picture/4767390/14/27113130-1.jpeg)
D ie Havarie eines einzigen Containerschiffs schaffte es offenbar, die gesamte Weltwirtschaft für Tage auf Trab zu halten. Etwa 10 Prozent des globalen Handelsvolumens werden durch den Suezkanal befördert. Jede Stunde, an dem die Wasserstraße zwischen dem Roten und dem Mittelmeer blockiert war, bescherte dem Welthandel Verluste von mehreren Milliarden Dollar. Das Schiffsunglück machte deutlich, wie empfindlich die auf „Just in time“ getrimmten Lieferketten heutzutage sind. Doch gerät damit die Weltwirtschaft ins Wanken? Nein.
So schmerzhaft es für einzelne Branchen in Europa sein mag, weil sie einige wichtige Elektrokomponenten nicht geliefert bekamen – ein Kollabieren der Weltwirtschaft sieht anders aus. Anders als noch in den siebziger Jahren, als Westeuropa einen Großteil seiner Ölversorgung über den Suezkanal aus der Golfregion bezog, hat die Wasserstraße erheblich an Bedeutung verloren. Deutschland und andere EU-Länder beziehen das meiste Öl heute aus Russland und anderen Regionen.
Europa ist neben den USA zudem auch nicht mehr das Zentrum der Weltwirtschaft, sondern muss sich diese Rolle nun auch mit China und anderen Ländern in Asien teilen. Hinzu kommt, dass China um die Krisenanfälligkeit des Suezkanals weiß. Um die Abhängigkeit zu reduzieren, ist der Exportweltmeister schon seit geraumer Zeit dabei, nicht zuletzt mit seiner Seidenstraßen-Initiative viele weitere Handelswege zu schaffen. Die Güterzugstrecke zwischen Shenyang und Duisburg ist erst der Anfang.
Dass 10 Prozent des Welthandels durch den Suezkanal gehen, ist viel. Fast viermal so viel wird jedoch über das Südchinesische Meer abgewickelt. Die USA haben das erkannt und längst damit begonnen, ihren Einfluss dort auszubauen. Hierzulande wird der Konflikt zwischen China und den Anrainerstaaten hingegen so behandelt, als würde er nichts mit Europa zu tun haben. Das ist kurzsichtig. Nicht der Suezkanal ist das Nadelöhr der Weltwirtschaft, sondern die Straße von Malakka.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Trump und Putin
Bei Anruf Frieden
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen