Wohnungsmarktbericht Berlin: Mietendeckel lässt Mieten schmelzen
Erstmals verzeichnet der IBB-Wohnungsmarktbericht sinkende Mieten. Der Markt entspannt sich auch, weil immer mehr gebaut wird.
Während sich der Bericht in der Interpretation der Daten zurückhält, sprach Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke) bei der Vorstellung von einem „Erfolg unserer Politik.“ Das Sinken der Angebotsmieten sei eine dringend benötigte „Atempause.“ Dies sei auch das Ziel des seit Februar 2020 geltenden Mietendeckel-Gesetzes gewesen.
Dass sich die Entwicklung tatsächlich darauf zurückführen lässt, zeigt der Vergleich mit den anderen deutschen Großstädten, die allesamt einen Mietanstieg verzeichnen. Dafür spricht ebenfalls, dass der Rückgang einzig bei Bestandsbauten zu verzeichnen ist. Im Neubau, der vom Mietendeckel unberührt, ist, stiegen die Preise weiter kräftig an, von 14,04 auf 15,26 Euro pro Quadratmeter.
„Nicht jede Wohnung hilft uns“, so Scheel. Es brauche eine „bedarfsorientierte Wohungspolitik“ für Haushalte mit kleinem und mittlerem Einkommen. Auch aufgrund der niedrigen Leerstandsquote sei der Wohnungsmarkt weiter angespannt. Um die Verdrängung der Bewohner*innen zu stoppen, gibt es inzwischen 65 Milieuschutzgebiete für mehr als eine Million Berliner*innen.
Während 2019 noch mehr als 50.000 Wohnungsinserate ausgewertet wurde, waren es im vergangenen Jahr nur etwa 33.000. Das rückläufige Angebot an Mietwohnungen hat, so zeigt es der Städtevergleich, weniger mit Corona und mehr mit dem Mietendeckel zu tun. Ausgewertet wurden auch die Preise für den Kauf von Eigentumswohnungen: Durchschnittlich 5.083 Euro pro Quadratmeter bedeuteten 307 Euro mehr als im Vorjahr, aber eine leichte Reduzierung der Wachstumsdynamik.
Mehr Neubau
18.999 Wohnungen wurden 2019 neu gebaut, so viele wie seit 1997 nicht mehr. 2020 könnte, so Scheels Spekulation, gar die 20.000er-Grenze übersprungen worden sein. Keine Spur also von einem Einbruch durch den Mietendeckel, vor dem die Immobilienbranche stets warnte. Die Kapazitäten der Baubranche sind, so sagte es der IBB-Vorstandsvorsitzende Jürgen Allerkamp, „mehr als ausgelastet.“ Kaum ins Gewicht fällt der leichte Rückgang der neu genehmigten Wohnungen auf etwa 19.000, angesichts von 65.000 bereits genehmigten, aber noch nicht gebauten Wohnungen.
Im Zusammenspiel mit der Bevölkerungsentwicklung sei es laut Scheel 2019 erstmals gelungen „mehr Wohnungen zu Verfügung zu stellen, als durch Zuzug erforderlich gewesen wäre.“ 2019 betrug Berlins Bevölkerungswachstum nur noch knapp 25.000 Personen, für 2020 wurde nur ein Plus von 467 vermeldet. Dies sei laut Scheel jedoch auch auf eine bereinigte Statistik zurückzuführen, im Laufe derer zuletzt etwa 25.000 Menschen von Amts wegen aus der Stadt abgemeldet wurden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“
Bequem gemacht im Pseudoliberalismus
Getöteter Schwarzer in den USA
New Yorker Wärter schlagen Gefangenen tot
BSW-Anfrage zu Renten
16 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter 1.200 Euro
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“