Senat verlängert Lockdown: „Nicht übers Ziel hinaus schießen“

Die rot-rot-grüne Landesregierung lässt Einkäufe mit Terminbuchung zu, senkt aber die Altersgrenze für Gruppensport im Freien von 14 auf 12 Jahre.

Das Foto zeigt den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) zwischen seinen Stellvertretern Klaus Lederer (Linkspartei) und Ramona Pop (Grüne).

Bloß nicht zu schnell lockern: Die Spitze des Senats drückte am Donnerstag auf die Bremse Foto: dpa

BERLIN taz | An dem Tag, an dem viele in Berlin auf Lockerungen der Coronaregeln hoffen, sagt der Regierungschef des Landes: „Wir sind vielleicht in der schwierigsten Phase der Pandemiebekämpfung.“ Sein Vize und Kultursenator wird wenig später nachlegen: „Es gibt auch die Notbremse, dass wir Öffnungsschritte wieder zurück nehmen.“ Die Botschaft von SPD-Mann Michael Müller und Klaus Lederer von der Linkspartei ist klar: Einen Tag nach der von Müller mit vorbereiteten Einigung zwischen den Bundesländern, die Berlin fast komplett übernimmt, müht sich die politische Spitze merklich, die Erwartungen klein zu halten.

Rund drei Stunden hat der rot-rot-grüne Senat zuvor getagt und lobt sich nun dafür, neben Hamburg jenes Bundesland zu sein, das die Verabredungen der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin am engsten umsetze. Blumenläden, Gärtnereien, Einkaufen mit vorheriger Terminbuchung via Internet, alles kommt wie am Mittwoch verabredet, mehr nicht. Die Buchläden, bei denen Berlin zu Lockdown-Beginn noch ausscherte und sie als, so Lederer damals, „geistige Tankstellen“ offen ließ, können nun auch anderswo öffnen. Prostitution ist nicht den wieder möglichen „körpernahen Dienstleistungen“ wie Kosmetik- und Tattoostudios zugeordnet und bleibt verboten. Gastronomie und Hotels müssen weiter auf Lockerungen warten.

Bevor man sich da fragen kann, wo da der föderale Aspekt bleibt, der eigene Ansatz eines Bundeslands, bekommt man doch noch eine Berliner Besonderheit zu hören: Den auf Bundesebene verabredeten Sport im Freien in Gruppen von bis zu 20 Personen, der überall sonst für Kinder und Jugendliche bis 14 Jahren wieder möglich sein soll, lässt der Senat nur für bis zu 12-Jährige zu. Warum? Weil das nach Worten von Müller das Grundschulalter ist und mit dieser Altersgrenze schon mal so in Berlin geregelt war.

Dafür gibt es umso mehr verbale Dresche für jemanden, dessen konkreter Name in der Pressekonferenz gar nicht fällt: Der Bundesgesundheitsminister – Jens Spahn von der nicht im Berliner Senat vertretenen CDU also – habe dieses nicht gemacht, jenes versäumt und anderes unterlassen. Dabei habe, wie Lederer feststellt, die Pandemie ja nicht gestern, sondern vor einem Jahr begonnen. „Man wundert sich, dass es ein Ministerium, das sich den lieben langen Tag mit Gesundheit beschäftigt, nicht schafft, mal einen Schritt vor der Welle zu sein“, sagt der Vize-Regierungschef.

Hausärzte sollen endlich impfen dürfen

Den drei Senatsmitgliedern in der Pressekonferenz – neben Müller und Lederer sitzt noch Ramona Pop von den Grünen, gleichfalls Vize-Regierungschefin – fehlt konkret eine nationale Impfstrategie, weshalb Berlin so etwas selbst für sich aufbauen will. Müller vermisst zudem, dass Spahn mit seinem Ministerium noch nicht den rechtlichen Rahmen dafür geschaffen habe, dass auch niedergelassene Ärzte in ihren Praxen gegen Corona impfen dürfen.

Das sei zwar so verabredet, aber noch nicht passiert. „Es ist aber jetzt auch allerhöchste Eisenbahn“, sagt Müller – und wehrt sich zugleich gegen den Vorwurf, in Berlin bleibe Impfstoff liegen: „Was in den Impfzentren zur Verfügung steht, wird verimpft.“ Man halte nur einen Puffer für die Impfungen der folgenden Woche vor, weil es noch keine sicheren Impflieferungen gebe.

Nicht nachlassen, nicht sorglos werden, auch das betonen die drei immer wieder. „Wir haben tausende Menschenleben retten können“, rechtfertigt Müller den bisherigen Weg der Einschränkungen. Deshalb dürfe man bei Lockerungen „nicht übers Ziel hinaus schießen und alles wieder kaputt machen.“ Wie zuletzt in jeder solchen Pressekonferenz zu Coronamaßnahmen hebt Müller hervor, dass man merke, dass die Menschen emotional an ihre Grenzen kommen – „das sehen wir, das ist nichts, wo wir einfach schnoddrig drüber hinweg gehen.“

Erste Reaktionen waren schon nach der Ministerpräsidentenkonferenz nicht begeistert ausgefallen. Unzufrieden zeigte sich etwa die Präsidentin der Berliner Industrie- und Handelskammer, Beatrice Kramm. „Insbesondere für Gastronomie, Handel, Sport, Veranstaltungsbranche oder Tourismus bietet das wieder keine echte Perspektive“, war von ihr zu lesen. Vieles ist aus ihrer Sicht zudem zu unverständlich – „das sehen wir auch an den zahlreichen Nachfragen bei unserer Coronahotline am Donnerstagvormittag sowohl zu den Öffnungsschritten, aber auch zu den angekündigten Tests in Betrieben.“

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