Rechtsextreme Anschlagsserie in Sachsen: Freital-Urteil, zum Dritten

Rechtsextreme attackierten 2015 in Freital Asylunterkünfte und Linken-Projekte: Nun wurden drei weitere Unterstützer verurteilt.

Die Verurteilten für die Freital-Anschläge mit ihren Anwälten im Verhandlungssaal des Oberlandesgerichts Dresden

Die Verurteilten mit ihren An­wäl­t:in­nen am Donnerstag im Saal des Oberlandesgerichts Dresden Foto: Robert Michael/dpa

DRESDEN/BERLIN taz/dpa | Es ist das dritte und wohl letzte Urteil nach der rechtsextremen Anschlagsserie im sächsischen Freital: Am Donnerstag verurteilte das Oberlandesgericht Dresden zwei Männer und eine Frau zu Bewährungsstrafen zwischen einem und zwei Jahren. Sie sollen die Angriffe unterstützt haben, die im Sommer 2015 Freital erschütterten.

Über Monate wurden damals in der Stadt bei Dresden Asylunterkünfte mit präparierten Böllern angegriffen, teils 130-fach stärker als Silvesterfeuerwerk. Ein Geflüchteter erlitt durch Glassplitter Verletzungen im Gesicht. Attackiert wurden auch ein Linken-Büro, das Auto eines Linken-Stadtrats und das alternative Wohnprojekt Mangelwirtschaft in Dresden.

Die Polizei brauchte lange, bis sie die Tä­te­r:in­nen fasste: eine Gruppe Rechtsextremer, die sich konspirativ über einen Chatkanal koordinierte und zuvor eine Bürgerwehr gegründet hatte. Am Ende übernahm die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen.

Schon 2018 wurden dafür sieben Männer und eine Frau wegen Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung zu Haftstrafen bis zu zehn Jahren verurteilt. Sie hätten die Geflüchteten und Linken vertreiben wollen und auch Tote in Kauf genommen, so das Gericht. Im Februar dieses Jahres erhielten drei weitere Mittäter:innen, darunter ein früherer NPD-Mann, und eine Helferin der Gruppe Haftstrafen bis zu zweieinhalb Jahren.

Verurteilte waren an Angriff auf linkes Projekt beteiligt

Nun folgt das Trio: ein 34-jähriger Verkäufer, ein 51-jähriger Monteur und ein 56-jähriger Altenpfleger. Das Gericht zeigte sich am Donnerstag überzeugt, dass auch die Drei Teil der konspirativen Chatgruppe der Rechtsextremen waren – und verurteilte sie wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und Beteiligung oder Beihilfe beim Angriff auf das Wohnprojekt Mangelwirtschaft.

Der 51-jährige Torsten L. soll sich direkt an dem Angriff auf die Mangelwirtschaft in Dresden beteiligt haben. Die Freitaler Gruppe hatte mit Dresdner Kameradschaftlern das Haus damals mit Steinen, Pyro-Sprengsätzen und Buttersäure attackiert. Ein präparierter Böller explodierte in der Küche des Wohnprojekts, zwei Meter neben einem Bewohner. Simone S. habe den An­grei­fe­r:in­nen zuvor einen Vorwand für die Attacke geliefert, indem sie über einen linken Angriff auf ein Anti-Asyl-Protestcamp in Dresden berichtete.

Das Trio hatte die Vorwürfe eingeräumt, gab sich sonst aber eher wortkarg. Die Anwältin von Torsten L. betonte jedoch, ihr Mandant bereue die Tat und habe die rechte Szene verlassen. Tatsächlich hatte der 51-Jährige 2015 mit für das Auffliegen der Freital-Gruppe gesorgt: Er hatte bei der Polizei ausgepackt, Chatprotokolle überreicht und dafür anfänglich Vertraulichkeit zugesichert bekommen. Die Gruppe konnte dennoch einen weiteren Anschlag begehen, dann erfolgten die Festnahmen. Torsten L. war zuvor schon im Visier der Ermittler: Er hatte sich an einem Baseballschläger-Angriff auf den PKW des Sohnes von Wirtschaftsminister Martin Dulig beteiligt.

Opferanwälte beklagten die lange Verfahrensdauer

Torsten L. erhielt nun die höchste Strafe der Verurteilten, mit zwei Jahren Haft auf Bewährung. Auch die Generalstaatsanwaltschaft hatte Bewährungsstrafen bis zu zwei Jahren gefordert. Anwälte der Opfer der Freitaler Anschläge hatten die lange Dauer der Ermittlungsverfahren beklagt, die zu Strafrabatten geführt hätten.

Ganz beendet ist die juristische Aufarbeitung jedoch weiter nicht. Die Verurteilten können noch Revision einlegen, dies taten auch einige der Angeklagten im zweiten Freital-Prozess. Bis heute sitzen zudem drei der im ersten Prozess Verurteilten in Haft.

In Freital selbst hat sich die Lage wieder beruhigt. Die Geg­ne­r:in­nen der Geflüchteten sind nun aber über die AfD im Stadtrat vertreten, die dort seit 2019 die zweitgrößte Fraktion hält. Auch Bürgermeister Uwe Rumberg verließ 2020 die CDU, ist nun parteilos. Er hatte die Anschläge anfangs kleingeredet, später „extremistische Gewalt“ verurteilt. Zu den Anschlägen wollte sich Rumberg zuletzt nicht mehr äußern. Er habe dies bereits „hinreichend“ getan.

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

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■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

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■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

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