Coronapandemie in Island: Einstellige Inzidenzzahlen

Erstmals seit über vier Monaten hat ein europäisches Land einstellige Inzidenzwerte bei Coronaneuinfektionen erreicht: Island. Jetzt wird gelockert.

Vier junge Menschen sitzen in einer Kneipe an einem Tisch auf dem Getränke stehen

In Island sind die Bars wieder geöffnet, wie hier das Bravo in Reykjavik Foto: T. Seeliger/Snapshot

STOCKHOLM taz | „Ja, wir machen das wohl sehr gut“, freute sich Islands links-grüne Ministerpräsidentin Katrín Jakobsdóttir am Dienstag in einem TV-Interview und versprach: „Auf diesem Weg wollen wir weitergehen.“ Auf der wie jede Woche jeweils am Donnerstag aktualisierten Europakarte des „EU-Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten“ (ECDC) in Stockholm ist die Nordatlantikinsel der einzige „grüne“ Staat.

Mit Island ist die 14-Tage-Inzidenz der Coronaneuinfektionen pro 100.000 EinwohnerInnen seit Monaten erstmals in einem ganzen Land wieder einstellig geworden: 8,4 lautet der Wert für die vierte und fünfte Kalenderwoche. Die zum Wochenende veröffentlichten Zahlen des Gesundheitsministeriums in Reykjavik sehen sogar noch besser aus: Eine 14-Tage Inzidenz von 2,5.

Hat Island Corona „besiegt“? Das hatte man schon einmal im Mai und Juni 2020 gehofft, als die Zahl der Neuinfektionen wochenlang gegen Null tendierte. Aber um der Tourismusbranche zu helfen, die die größte Einnahmequelle des Landes ist, waren daraufhin die Grenzen wieder geöffnet worden – wenn auch vorsichtig und mit obligatorischem Test bei der Einreise.

Es war eine zu lückenhafte Kontrolle, wie sich bald herausstellte. Die Zahlen schnellten hoch. Mitte Oktober lag Island mit einer Inzidenz von 290 zeitweise dann sogar in der Gruppe der am schwersten betroffenen europäischen Länder.

Geimpfte EU-Bürger müssen nicht mehr in Quarantäne

Natürlich spielte die Insellage eine Rolle dafür, wenn man das seither wieder schrittweise in den Griff bekommen hat. Aber auch dank einer Strategie, die ähnlich wie in allen anderen nordischen Ländern nicht auf Perioden eines umfassenden Lockdowns und auf allgemeines Maskentragen setzte und setzt, sondern auf gezielte Einzelmaßnahmen zum Aufspüren und Eingrenzen der Infektionen.

Diese Politik habe dazu beigetragen, dass die IsländerInnen noch nicht „Coronamüde“ geworden seien, sondern bis heute positiv auf die von der Regierung eingeführten Regeln für Quarantäne und soziale Distanz – 2 Meter Abstand – reagieren, wie Dórólfur Guðnason, Chefepidemiologe der Gesundheitsbehörde gerne lobt.

Die einheimische Bevölkerung wird viel und regelmäßig getestet. Eine Quarantänepflicht gibt es nicht erst nach einem positiven Test, sondern schon dann, wenn wegen des Kontakts mit einer infizierten Person das Risiko einer Ansteckung bestehen könnte, selbst wenn man keinerlei Symptome hat. Ins Land kommen Reisende seit Monaten nur nach zweimaligen negativen Tests: Einer, der sofort bei der Einreise am Flughafen stattfindet, der zweite nach darauf folgender fünftägiger Quarantäne.

Seit Montag sind nun wieder Kneipen, Restaurants und Fitnessstudios geöffnet, eine Begrenzung der Zahl gleichzeitiger Besucher auf maximal 20 wurde aber erst einmal beibehalten. Bei Einreisen ins Land müssen EU-BürgerInnen nicht mehr in Quarantäne, wenn sie Corona-Impfungen mit einem amtlichen Impf-Pass nachweisen können. Für Nicht-Geimpfte steht aber eine weitere Verschärfung der Regeln zur Debatte: Die Einreisequarantäne zwischen den beiden Tests soll in Unterkünften unter staatlicher Regie absolviert werden müssen, um eine bessere Kontrolle zu haben.

Schnelle Durchimpfung aller vorerst geplatzt

Was die Chancen Islands auf eine baldige Impfung der Bevölkerung angeht, so war der Kampf der Regierung gegen Neuinfektionen wohl eher sogar zu erfolgreich. Seit Ende letzten Jahres hatte die Gesundheitsbehörde mit dem Pharmakonzern Pfizer über eine Impfstoffregelung nach dem „Israel-Modell“ verhandelt. Island sollte bevorzugt mit 500.000 Dosen des Pfizer/Biontech-Impfstoffs versorgt werden, was für eine zweimalige Impfung der gesamten erwachsenen Bevölkerung gereicht hätte.

Im Gegenzug wollte sich das Land verpflichten, Pfizer mit den Gesundheitsdaten der Geimpften zu versorgen, damit das Unternehmen diese für Studien zur Herdenimmunität und Wirksamkeit gegen einzelne Mutationen verwenden könnte. Eine große Sporthalle in Reykjavik und verschiedene andere Sportarenen wurden bereits für Massenimpfaktionen vorbereitet.

Am Mittwoch wurde bekannt, dass Pfizer diesen Deal doch nicht abschließen will. Offizielle Begründung: Die Infektionszahl auf Island sei schon zu niedrig für solche Studien. Laut Kári Stefánsson, Chef des isländischen Genforschungsunternehmens „deCode“ soll bei diesem Rückzug des Konzerns aber auch der Protest der Regierungen verschiedener EU-Länder gegen eine solche Vorzugsbehandlung Islands eine Rolle gespielt haben.

Auf ihre Regierung sei kein Druck ausgeübt worden, versichert Katrín Jakobsdóttir: „Natürlich wäre so eine Schnellimpfung fantastisch gewesen, ich hätte das gerne gesehen. Aber dann machen wir eben im bisherigen Tempo weiter.“ Da steht Island mit einer Impfrate von 5,5 Prozent vergleichsweise auch nicht schlecht da.

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