EuGH und Polens Justiz: Die PiS wird’s nicht scheren

Im Streit um Richterberufungen stärkt der EuGH die Kritiker der polnischen Regierung. Aber diese hat längst vorgesorgt, um den EuGH zu umgehen.

Die Toga eines polnischen Richters hängt neben der Flagge Polens auf einem Kleiderständer

EuGH-Urteil: die Richterernennung am Obersten Gericht in Polen soll nach EU-Recht überprüft werden Foto: Piotr Twardysko/imago

WARSCHAU taz | Die „Reform des Gerichtswesens“ in Polen gleicht eher seiner Demontage. An der Stelle der unabhängigen Justiz, wie sie Polens Verfassung eigentlich garantiert, entsteht nach und nach eine politische Justiz, die im Sinne „der Partei“ Recht spricht. Davon sind nicht nur viele Juristen in Polen überzeugt, sondern auch ein Großteil der parlamentarischen Opposition und inzwischen auch die Mehrheit der BürgerInnen Polens.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg kommt mit seinen Urteilen der Entwicklung in Polen gar nicht hinterher. Am Dienstag forderte das EuGH in seinem jüngsten Urteil das Oberste Verwaltungsgericht in Warschau auf, die Richterernennung am Obersten Gericht, also der letzten Berufungsinstanz, nach EU-Recht zu überprüfen. Sollte es zum Schluss kommen, dass die von den regierenden Nationalpopulisten in Polen neu eingeführten Prozeduren gegen EU-Recht verstoßen, solle es in seinem Urteil diese Prozeduren außer Acht lassen.

Das Problem: inzwischen hat die Partei, die sich wie zum Hohn „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) nennt, mit ihrer absoluten Stimmenmehrheit im Sejm entschieden, dem Obersten Verwaltungsgericht in Warschau die Zuständigkeit bei Richterbesetzungs-Streitfällen abzuerkennen.

Zwar unterstützte der EuGH nun in der Sache die Kritiker, also jene fünf Richter, die sich 2018 um ihre Karriere am Obersten Gericht betrogen fühlten, doch in Warschau stehen die Ampeln durch das neue PiS-Gesetz auf Rot. Zudem hatte die PiS bereits 2019 jeden Protest gegen Entscheidungen des Neo-Landesjustizrates (KRS) für unzulässig erklärt. Der KRS entscheidet über Richterbenennungen.

Der PiS spielt die Zeit in die Hände

Zentral für das Gericht in Luxemburg war das Vertrauen der Staatsbürger zu den Richtern, die „unabhängig und unparteiisch“ sein sollen. Es überließ die Entscheidung aber dem Obersten Verwaltungsgericht in Warschau und maßte sich kein eigenes Urteil an. Dass der PiS die Zeit in die Hände spielt, die alles daran setzt, bis zu den nächsten Parlamentswahlen alle Schlüsselstellen im Gerichtswesen mit PiS-treuen Richtern und Staatsanwälten zu besetzen, spielte bei dem Urteil keine Rolle.

Obwohl die große Kammer des Europäischen Gerichtshofes ihr Urteil ganz im Sinne der Gewaltenteilung sprach, hilft es doch weder dem polnischen Gerichtswesen wieder auf die Beine, noch befördert es das Vertrauen der polnischen BürgerInnen in das europäische Recht.

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