piwik no script img

„Hockey ist ein Familiending“

Helene Peters spielt in Berlin bei den jetzt aus der Bundesliga abgestiegenen Zehlendorfer Wespen. Die Leidenschaft für Hockey hat sie aus der Hochburg Hamburg mitgebracht. Ein Gespräch über unterschiedliche Hockey-Kulturen und eine verdammt lange Coronasaison

Helene Peters (r.), 25, studiert Architektur an der UdK in Berlin und spielt Hockey bei den Zehlendorfer Wespen. Ursprünglich kommt sie aus Hamburg Foto: foto2press/Imago

Interview Hagen Gersie

taz: Frau Peters, vier Hamburger Frauenteams spielen in der Hockey-Bundesliga …

Helene Peters: Ja, leider, es waren mal fünf.

Ist die fünfte Mannschaft denn Ihr Hamburger Team?

Ja, das ist mein Heimatverein, der Klipper THC.

Warum ist Hockey in Hamburg so groß?

Weil in Hamburg sehr viele Menschen leben, die einfach sehr viel Geld haben. Die großen Geldgeber der Hamburger Clubs sind Menschen, die diesen Sport privat gut finden. Dahinter steckt weniger wirtschaftliches Interesse, als wenn Budweiser Fußball unterstützt. Es ist eher ein Leidenschaftsding. In Berlin gibt es überhaupt kein Geld, weder von der Stadt so richtig noch von den Leuten.

Hat Hamburg noch andere Vor teile?

In Hamburg, und das habe ich erst ganz spät verstanden, gehören den allermeisten Clubs die Anlagen, auf denen sie spielen. Das ist in Berlin anders. Die Hockeyclubs müssen den Boden pachten, bis auf Blau-Weiß Berlin und meinen aktuellen Club, die Zehlendorfer Wespen. Wir haben in Berlin viel weniger Ressourcen. Hamburg macht eine erfolgreiche Jugendarbeit, steckt viele Ressourcen in eine nachhaltig gute Ausbildung ihrer Spieler – denn da fängt es natürlich an, dass die Leute gut werden. Das ist natürlich aus der Perspektive des Leistungssports gesprochen. Es gibt total viele Leute, die Hockey als Freizeitsport betreiben. Warum das in Hamburg mehr passiert als in Berlin, weiß ich ehrlich gesagt gar nicht so.

Aus Tradition?

Voll. Ich habe angefangen, weil mein Bruder Hockey gespielt hat und mein Bruder hat ein bisschen Hockey gespielt, weil alle meine Cousins Hockey gespielt haben und die haben Hockey gespielt, weil alle meine Tanten und Onkel und meine Mutter und mein Vater und meine Oma und mein Opa … also alle haben Hockey gespielt. Das verbreitet sich. Es ist ein Familiending.

Mit den Wespen sind Sie diesen Samstag abgestiegen – im zweiten Playdown-Spiel. Wie fühlt sich das an?

Da ist man natürlich erst mal zwei Minuten traurig. Aber wir machen alle seit langer Zeit Sport und man muss auch verlieren können. Und wir haben jetzt eine starke Jugend, die nachrückt. Hoffentlich gehen die nicht ab zu anderen Teams.

Was war das für eine Coronasaison?

Diese Saison dauert verdammt lang, wir sind im September 2019 gestartet. Im Februar haben wir die Vorbereitung für die Rückrunde gemacht und nach den ersten zwei Trainings kam dann vom Deutschen Hockey-Bund (DHB) die Forderung, dass das erst mal kurz eingestellt wird, weil man sich die Coronasituation noch mal anschauen wollte. Dann haben wir alle individuell weitertrainiert, sind laufen gegangen und haben Kraftpläne bekommen, die wir zu Hause machen mussten, damit wir fit bleiben. Dann haben wir doch wieder angefangen zu spielen. Alle Vereine mussten sich Hygienekonzepte ausdenken. Zum Beispiel durften wir überhaupt nicht das Clubhaus nutzen. Wir durften also nicht in die Umkleiden und in die Duschen, höchstens auf Toilette.

Wie hat das Umziehen funktioniert?

Neben dem Platz unter freiem Himmel. Wenn einem das unangenehm ist, gibt es eine kleine Hütte, wo Trainingsbedarf drin ist, wo man dann halt rein muss. Bei Spielen durfte man nur von einer Seite auf das Gelände gehen. Ein Teil der Terrasse war abgetrennt und da hat man sich umgezogen.

Und Besprechungen?

Normalerweise macht man mittlerweile vor allen Spielen eine Videobesprechung. Das mussten wir unterteilen. Wir haben immer drei Besprechungen machen müssen, je einmal mit Stürmern, mit Mittelfeldspielern und mit Verteidigern. Man hat das total gemerkt, dass man überhaupt nicht den Raum hatte, jemals wirklich über Taktik zu sprechen. Das ist beim Hockey eine große Komponente.

Was hat das mit dem Team gemacht?

Man wird im Hockey nicht so richtig bezahlt, jedenfalls nicht in Berlin. Mehr als ein Nebenerwerb ist es auch in anderen Städten nicht. Das bedeutet, man geht entweder zur Uni oder man arbeitet. Mehrere von uns arbeiten zum Beispiel im Krankenhaus, und die kommen natürlich potenziell viel mehr in Kontakt mit Corona als ein Student, der den ganzen Tag Homeoffice macht. Das sind so Unterhaltungen, die man führen musste, die auch außerhalb vom Hockey in das Leben des anderen eingreifen. Das war, glaube ich, nicht so gut für die Mannschaft, weil einfach schon so viel Zeit und Energie und Kraft investiert sind in diesen Sport. Wenn man nach Hause geht, will man nicht immer noch im Nacken haben, dass die anderen einem zugucken beim Leben.

Gab es denn Infektionen?

Wir hatten schon im März 2020 zwei Coronafälle in der Mannschaft. Wir waren voll überfordert damit, haben uns alle mehrfach testen lassen und sind in Quarantäne gegangen. Die Leute in Quarantäne durften natürlich alle nicht zum Training kommen. Das heißt, wir haben andauernd ohne unsere Stammspieler trainieren müssen und die Spiele waren danach total zerpflückt. Und der DHB hat es superschwierig gemacht, Spiele abzusagen.

Hätten Sie sich das anders gewünscht?

Ehrlich gesagt: ja. Ich hätte mir gewünscht, dass man in so einer Ausnahmesituation sagt, eigentlich soll der Ligabetrieb stattfinden, aber wenn sich die Leute nicht wohlfühlen, durch halb Deutschland zu reisen, dann ist das in Ordnung. Wir mussten zu Bundesligaspielen entweder mit dem Auto oder mit dem Zug anreisen. Damit waren einzelne auch nicht einverstanden, weil sie Angst hatten, sich zu infizieren. Also, ich hätte mir vom DHB sehr viel mehr Flexibilität gewünscht. Das ging schon nicht klar, fand ich. Das ist unsere Freizeit und wir sind diejenigen, die sich am ehesten infizieren. Und unsere Wünsche wurden da, fand ich, nicht gehört.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen