Transfer von Mesut Özil zu Fenerbahçe: Eine Herzensgeschichte
Mesut Özil wechselt von Arsenal zu Fenerbahçe Istanbul. In der Türkei löst das Euphorie aus. Unklar ist, ob sich der Klub den Transfer leisten kann.
Flugzeuge kann man von zu Hause aus im Internet via Flugradar begleiten. Live und kostenlos. Es sind nicht allzu viele Menschen bislang gezählt worden, die auf diese Weise ihre Freizeit verbringen. In der Nacht auf Montag jedoch hatten rekordverdächtig viele Menschen eine Maschine im Visier, die sich von London auf dem Weg nach Istanbul befand.
Über 100.000 Zuschauer:innen, berichtete die türkische Zeitung Hürriyet, verfolgten den Privatjet, den der Istanbuler Fußballklub Fenerbahçe Mesut Özil und seiner Familie zur Verfügung gestellt hatte. Zum Gratis-Equipment in der Maschine zählten ein paar türkische National- und Vereinsflaggen, vor denen sich Özil für seine weit über 70 Millionen Follower in den sozialen Netzwerken ablichten ließ. Am Sonntag hatte er bereits dem türkischen Sender NTVseinen Wechsel vom FC Arsenal zu Fenerbahçe bestätigt.
Dem in Gelsenkirchen geborenen einstigen deutschen Nationalspieler, dessen Eltern einst von der Schwarzmeerküste in den Ruhrpott emigrierten, werden in diesen Stunden in der Türkei besonders viele Sympathien entgegengebracht. Ein Stück weit ist sein Wechsel vom FC Arsenal London zu Fenerbahçe auch eine Staatsangelegenheit. Der Sprecher des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan – Letzterer war bei Özils Hochzeit Trauzeuge – schrieb schon an Özil auf Twitter, bevor der Transfer fix war: „Willkommen in deinem zu Hause, in deiner Heimat.“
Seit Anfang dieses Jahres deutete sich der Transfer an. Seine Ankunft in Istanbul dürfte von den Fans so sehr herbeigesehnt worden sein wie sein Abschied bei den Verantwortlichen des FC Arsenal. Seit vergangenen März hat er dort, wo er siebeneinhalb Jahre spielte und zum hoch geschätzten Vereinsinventar wurde, kein Pflichtspiel mehr bestritten. Trainer Mikel Arteta legt keinen Wert mehr auf seine Mithilfe. Gekostet hat er dem Verein allerdings bis zu diesem Sonntag 400.000 Euro pro Woche.
Mit hohem Gehalt zu hochverschuldetem Klub
Türkischen Medienberichten zufolge liegt nun das Jahresgehalt Özils beim Tabellenzweiten der Süper Lig bei fünf Millionen Euro. Gerüchten zufolge hatte Fenerbahçe bereits im Sommer 2019 vergeblich versucht, Özil in die Türkei zu locken. Dass der 32-Jährige nun nach langem Zaudern bereit ist, deutliche Gehaltseinbußen hinzunehmen, dürfte seine Popularität in der Türkei weiter steigern. Fenerbahçe, das hat Özil schon seit Längerem bekannt, sei bereits in seiner Jugend in Gelsenkirchen sein Lieblingsverein gewesen. Er wolle in seinem Fußballerleben einmal in den USA und bei Fenerbahçe spielen, hat der 32-Jährige einst gesagt.
Während Özil sein Engagement in Istanbul als Herzensangelegenheit feiern kann („Gott sei Dank hat der Transfer stattgefunden. Ich bin sehr glücklich und aufgeregt“), staunt man, wie Fenerbahçe sich diesen Großverdiener finanzieren will. Nur fünf Vereine in Europa stehen laut dem Forbes-Magazin höher in der Kreide als Fenerbahçe (gut 300 Millionen Euro). Ähnlich wie die Stadtrivalen Beşiktaş und Galatasaray gilt der Verein eigentlich als zahlungsunfähig.
In die Altersstruktur des Kaders passt Özil indes gut. Fenerbahçe hat ein Faible für Spieler älteren Semesters, die einen großen Namen tragen. So wird Özil im Mittelfeld neben den ehemaligen FC Bayern-Profis Luiz Gustavo (33) und José Ernesto Sosa (35) spielen. Im Sturm ist Papiss Demba Cissé (35) gesetzt, der einst für den SC Freiburg und Newcastle United seine Treffsicherheit unter Beweis stellte.
Doch bevor Özil das erste Mal im recht betagten Team von Fenerbahçe zum Einsatz kommt, müssen er und seine Familie erst einmal für sechs Tage in Coronaquarantäne. Denn eigentlich hatte die türkische Regierung wegen der in Großbritannien aufgetretenen Coronamutation einen Flugstopp für Flugzeuge aus Großbritannien verhängt. Für Mesut Özil allerdings wird in der Türkei und bei Fenerbahçe einiges außer Kraft gesetzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos