Neuer Bericht über Müll bei Amazon: Nicht bestellt, aber verschickt

Der Internetgigant versendet einen wachsenden Berg aus Plastikmüll, hat die Umweltorganisation Oceana errechnet. Amazon rechnet anders.

Ein mit Plastikfolie umhülltes Amazon-Paket auf einem Fließband

Nicht bestellt, trotzem mitgeliefert: Kunststoffverpackungen bei Amazon Foto: Beata Zawrzel/picture alliance

TÜBINGEN taz | Extra bestellen tut es niemand, mitgeliefert wird es trotzdem: Luftkissen, Polsterfolien, Schaumstoffchips. 211 Millionen Kilogramm Kunststoffverpackungen hat allein Amazon im letzten Jahr verschickt, so das Ergebnis eines neuen Berichts der Meeresschutzorganisation Oceana. Insgesamt beläuft sich der Plastikmüll aus Verpackungen des Internethandels demnach auf über 900 Millionen Kilogramm im Jahr.

Für den Bericht hat Oceana eine Studie beim Marktforschungsinstitut Mordor Intelligence mit Sitz im indischen Hyderabad in Auftrag gegeben. Dieses schätzte, wieviel Plastikverpackungen die E-Commerce Branche in den wichtigsten Amazon-Märkten einsetzt. Danach ermittelte Oceana die Marktanteile Amazons in den einzelnen Ländern. Die Marktanteile beziehen sich dabei auf alle über die Amazon-Plattform verkauften Waren. Für die Berechnung des Amazon-Mülls nahm Oceana an, dass der Anteil des Plastikverpackungsmülls dem Marktanteil entspricht.

Amazon hält diese Berechnungsmethode für falsch; der Plastikverbrauch sei „um mehr als 350 Prozent zu hoch angegeben“, sagte ein Sprecher des Konzerns, man verwende „etwa ein Viertel der in Oceanas Bericht geschätzten Menge an Plastikverpackungen“. Seit 2015 haben wir das Gewicht der Versandverpackungen „um mehr als ein Drittel reduziert und fast eine Million Tonnen Verpackungsmaterial eingespart“, so der Sprecher.

Bettina Rechenberg, Leiterin des Bereichs Kreislaufwirtschaft beim Umweltbundesamt, hält die Annäherung an den Plastikmüll über den Marktanteil hingegen für „nachvollziehbar und plausibel“. Zwar lassen sich die Zahlen – etwa für Deutschland – nicht direkt überprüfen, da hierzulande zwar Plastik-, Papier- und andere Verpackungen getrennt erfasst werden. Wo der Müll entstanden ist, im stationären oder im Online-Handel, wird dabei jedoch nicht ermittelt. „Die Größenordnung des Verpackungsmülls für Deutschland kommt mir in dem Oceana-Bericht aber plausibel vor“, sagt Rechenberg, „die Zahlen widersprechen sich nicht mit unseren Befunden.“

Was nicht erfasst ist, lässt sich nicht managen

Amazon zeigt sich in Sachen Nachhaltigkeit nur schleppend transparent. 2019 veröffentlichte der Konzern erstmals seinen CO2-Fußabdruck, wieviel Plastik eingesetzt wird, teilt er nicht mit. Die fehlende Transparenz sei ein Problem, so Anne Schroeer, Kampaignerin bei Oceana, denn „was man nicht erfasst, kann man auch nicht managen.“ Schroeer wirft Amazon vor, das Plastikproblem aus den Augen zu verlieren und kritisiert, dass der Online-Riese „nur das Gewicht und das Volumen der Päckchen verringert, um einen besseren CO2-Fußabdruck zu haben. Um die Pakete leichter zu machen wurde aber Papier durch Plastik ersetzt.“

„Es ist wichtig, dass Oceana den Finger in die Wunde legt“, findet Rechenberg. „Der Onlinehandel hat relevante Umweltauswirkungen, da ist eine weltweite Hochrechnung gut. Sie verdeutlicht das große Müllproblem“. Sie stört sich jedoch, dass Oceana den Fokus in der Studie nur auf Plastik legt und nicht generell auf Abfallvermeidung. „Das ist zu kurz geguckt. Beim Internethandel fallen auch viele Pappkartons an. Das Ziel muss sein, Verpackungen generell zu reduzieren.“ Bei Mehrweg denke jeder an den Kaffeebecher, „aber das ist auch beim Onlinehandel möglich.“

„Wenn Amazon will, besitzt das Unternehmen eine enorme Innovationskraft“, sagt Schroeer, „es liefert mit Drohnen, hat sich in der Pandemie schnell an große Veränderungen angepasst und ist schnell gewachsen.“ Es fehle der Wille, die umweltfreundlichen Lösungen konsequent umzusetzen, klagt sie. Dabei wird das Plastikproblem drängender: „Amazons Umsatz wird dieses Jahr um bis zu 35 Prozent steigen. Der Plastikfußabdruck wird mitwachsen.“

Besonders brisant: Oceana schätzt, dass 2019 mehr als 10 Millionen Kilogramm des Amazon-Verpackungsmülls in Gewässern landet. Dafür kombinierte Oceana die eigenen Daten mit einem Modell aus einer Studie aus dem Magazin Science. Oceana verwendete für die Modellierung das Szenario, bei welchem am meisten Plastik in Gewässer gelangt.

Die Meeresschutzexpertin Stefanie Werner vom Umweltbundesamt meint dazu: „Die Studie bestätigt frühere Studien: Der Trend ist, dass immer mehr Kunststoffprodukte – gerade auch Einweganwendungen wie Verpackungen – produziert werden und insbesondere infolge von unzureichendem Abfall- und Abwassermanagement und achtloser Entsorgung in die Umwelt und damit auch in Flüsse und Meere gelangen. Allerdings landet der Verpackungsmüll aus dem deutschen Onlinehandel mit großer Wahrscheinlichkeit nicht im Meer.“

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