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Union und SPD finden KompromissEinigung bei Bundespolizeigesetz

Die Große Koalition will der Bundespolizei mehr Befugnisse geben. Onlinedurchsuchungen und Gesichtserkennung sind aber nicht vorgesehen.

Kontrolle im Bahnverkehr – automatisierte Gesichtserkennung auf Bahnhöfen ist nicht vorgesehen Foto: Martin Schutt/dpa

Berlin afp | Die Große Koalition hat sich nach langem Streit auf die Grundzüge eines neuen Gesetzes verständigt, das der Bundespolizei mehr Befugnisse einräumen soll. Dazu soll auch die umstrittene Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) zählen, also das Mitlesen von Nachrichten in verschlüsselten Chatdiensten. Dies geht aus einem Eckpunktepapier hervor, das der Nachrichtenagentur AFP am Montag in Berlin vorlag. Weiterhin nicht erlaubt sein wird der Bundespolizei die Onlinedurchsuchung. Auch die elektronische Gesichtserkennung ist in den Eckpunkten nicht vorgesehen.

Mit dem neuen Gesetz will die Koalition der Bundespolizei ermöglichen, mit modernen technischen Fahndungsmethoden auf neue Gefahren reagieren zu können. Ursprünglich hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bereits im Frühjahr eine Novelle des Bundespolizeigesetzes ins Kabinett bringen wollen – allerdings stieß sein Entwurf auf Widerstand beim Koalitionspartner SPD.

Im ersten Entwurf war auch eine großflächige, automatisierte Gesichtserkennung auf Flughäfen und Bahnhöfen vorgesehen, die allerdings vom SPD-geführten Justizministerium abgelehnt wurde. Später gab es Berichten zufolge auch um die Quellen-TKÜ Streit. Der Kompromissentwurf der Koalition sieht nun vor, die Befugnisse zur Quellen-TKÜ auf die Bekämpfung von Menschenhandel und Schleuserkriminalität zu begrenzen. Über den Kompromiss hatte zunächst die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet.

Dem Koalitionspapier zufolge soll die Bundespolizei künftig die Strafverfolgung bei „unerlaubtem Aufenthalt“ in Deutschland auch selbst übernehmen können. Damit solle die Konsequenz aus Versäumnissen im Fall des Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri gezogen werden, heißt es in dem Papier.

FDP: „Schritt in Richtung Überwachungsstaat“

In die gleiche Richtung zielen auch einige andere Erweiterungen. Die Bundespolizei soll etwa selbst Platzverweise erteilen oder Blutproben entnehmen lassen können. Bisher mussten dazu immer die Landespolizeien herangezogen werden. Neu ist zudem die Zuständigkeit bei Delikten mit Drohnen oder Laserpointern. Zudem soll es der Bundespolizei erlaubt werden, Handys und Mobilfunkkarten zu lokalisieren.

Ausgehandelt wurde der Kompromiss von den Fraktionsvizes Dirk Wiese (SPD) und Thorsten Frei (CDU). Wiese zeigte sich zufrieden mit dem „sehr gelungenen Kompromiss“, der die „tägliche Arbeit unserer Polizistinnen und Polizisten konkret verbessert“. Die „Hartnäckigkeit der SPD“ in den Verhandlungen über das neue Gesetz habe sich ausgezahlt, sagte Wiese der AFP.

Auch die Unionsseite zeigte sich zufrieden. Die Koalition habe gezeigt, dass sie imstande sei, „auch noch am Ende der Legislaturperiode schwierige Gesetzgebungsvorhaben voranzubringen“, sagte Frei der AFP. Das Gesetz wäre „ein Stück Wertschätzung der Arbeit der Bundespolizei“, sagte er. „Wir wollen die Bundespolizei auch ein Stück weit aufwerten: Sie soll neue Aufgaben und Verwendungen – unter Wahrung des sonderpolizeilichen Charakters – und ein verbessertes Befugnisinstrumentarium erhalten.“

Scharfe Kritik an dem Vorhaben kam von der FDP. Das neue Gesetz wäre „der nächste Schritt in Richtung Überwachungsstaat und gläserner Bürger“, warnte FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae. „Dass die Große Koalition die Bundespolizei mit so weitreichenden Befugnissen wie der Quellen-TKÜ ausstatten will, ist nicht nachvollziehbar.“ Die Koalition verfahre „frei nach dem Motto ‚Alle sollen alles dürfen‘, ohne Rücksicht auf die Bürgerrechte zu nehmen“.

Die Polizei ist im deutschen Föderalismus in der Regel Ländersache – eine Ausnahme ist die Bundespolizei. Zu den wichtigsten Aufgaben der rund 51.300 Beschäftigten zählen der Grenzschutz und die Sicherung des Bahn- sowie des Flugverkehrs. Im Rahmen dieser Schwerpunktaufgaben ist die Bundespolizei auch in der Kriminalitätsbekämpfung tätig. Ihre Befugnisse sind in einem eigenen Gesetz, dem Bundespolizei-Gesetz, geregelt. Sie untersteht dem Bundesinnenministerium.

In Erscheinung treten Bundespolizist:innen im Alltag etwa bei Kontrollen von Passagie:innen an Flughäfen, bei der Überprüfung von Papieren beim Grenzübertritt und bei Patrouillen an Bahnhöfen. Vertreten ist sie an mehr als hundert Standorten in Deutschland – und darüber hinaus auch an vielen Einsatzorten im Ausland: Mehr als 2.200 ihrer Beam:innen sind in Osteuropa, dem Nahen Osten, in Afrika und in weltweiten Krisengebieten als Berater:innen und Expert:innen im Einsatz, zum Teil im Auftrag der Vereinten Nationen.

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9 Kommentare

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  • taz-Zitat: “(...) In die gleiche Richtung zielen auch einige andere Erweiterungen. Die Bundespolizei soll etwa selbst Platzverweise erteilen oder Blutproben entnehmen lassen können. Bisher mussten dazu immer die Landespolizeien herangezogen werden. (...)“



    Die Bundespolizei soll künftig, außerhalb ihres eigenen örtlichen Zuständigkeitsbereich (z. B. Bahnhöfe/ -anlagen u. Flughäfen), im Hoheitsbereich der Länder, Platzverweise erteilen dürfen, so sieht es das neue Bundespolizeigesetz vor.



    Damit dürften bspw. BettlerInnen, TrinkerInnen, Obdachlose, von der Bundespolizei, weit über Bahnhofsvorplätze vertrieben werde. Damit würde die Bundespolizei de facto ermächtigt werden, z. B. im Bahnhofsviertel von Frankfurt/ Main, für Ordnung zu sorgen.



    Die Platzverweise der Bundespolizei sind auch nicht gerade billig: Mit dem Inkrafttreten der Gebührenverordnung der Bundespolizei (Oktober '19) können Platzverweise den Betroffenen nun mit 88,95 Euro in Rechnung gestellt werden. Diese Strafgebühr wird ohne richterlichen Beschluss verhängt – sie liegen im Ermessen der einzelnen BeamtInnen!



    www.heise.de/tp/fe...echte-4663640.html



    taz.de/Gebuehren-f...-Polizei/!5658040/

  • "Auch die Unionsseite zeigte sich zufrieden."



    Da wird es gefährlich! Die Unionsparteien lechzen schon seit Jahrzehmten nach dem gläsernen Bürger - ohne dabei auf Erfahrungen oder Bürgerrechte zu achten.



    Wie lange wurde an der Rasterfahndung festgehalten - und bis heute immer wieder eingefordert - obwohl sich eindeutig gezeigt hat, dass damit riesige Mengen von Zeit und Ressourcen verbraten werden, ohne greifbaren Nutzen? Muss so eine Machtfülle geil sein! Warum sollte man sonst darauf bestehen?



    Ansonsten werden ja schon die bedtehenden Befugnisse nicht ausgenutzt. Warum sonst kommt es immer wieder zu schwersten Straftaten, deren Täter vorher schon polizeibekannt waren, aber...



    Alles was die Polizei braucht ist bessere Zusammenarbeit auf allen Ebenen und die Ausschöpfung der bestehenden Möglichkeiten.



    Und auf gar keinen Fall mehr Befugnisse! Schon gar nicht, so lange es immer noch nicht aufgeklärt ist, wie weit die rechte Unterwanderung in Polizei und Justiz auf allen Ebenen geht!

  • Na Servus & Danke Danke Danke 🙏🙏🙏

    Für die weiter fortschreitende Militarisierung!



    Des Öffentlichen Raumes dieser Republik Schland!

    Die Verfassungen - insbesondere aber das Grundgesetz - GG - !



    Sehen das aufgrund der unabwendbaren Erfahrungen der Nazi-Zeit!



    Bekanntlich anders!



    ART 31 GG - POLIZEI IST LÄNDERSACHE •

    unterm——— BUNDESGRENZSCHUTZ - REMEMBER -



    Von einer Paramilitärischen Organisation - post Wende!



    Das Firmnschild abreißen & Hütchenspielermäßig - Newahr!



    Bundespolizei - Drankritzeln - Ist'n - VERFASSUNGSBRUCH!



    Nothing else! Normal Schonn!

    • @Lowandorder:

      "VERFASSUNGSBRUCH"



      Normal !



      Jetzt braucht DE nur noch, wie FR so'n



      Globales Sicherheitsgesetz mit einem Artikel 24, der Fotos von Polizisten einschränkt.



      Frankreich geht dagegen gerade massiv auf die Straße,



      Hoffentlich mit Erfolg.



      Heißt das Ergebnis vielleicht 2. Auswanderung?



      Oder eher Untergrund?



      Wunder über Wunder...

      • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

        Schon mal ne Karte route noir de Vosges in den 90 l 🎒- packen - Besser is das.



        (Hier is immer ne Matratze frei - 😎 - ;))



        & wie passend -



        (🍷 5 l is back! Überraschung!;))

    • @Lowandorder:

      Sorry - he techné - richtig

      “…UNABWEISBAREN ERFAHRUNGEN DER NAZIZEIT …“ In der Tat!

  • 9G
    92293 (Profil gelöscht)

    Da haben sie das Darknet vom Geheimdienst abgesplittet und wachsen lassen. Da lassen sie es zu, dass rechtsextreme sich in Gruppen formieren und sich zu Kontrollern und Spyern aufbauen, parallel wird die Entwicklung der bots als interessante KI Variante toleriert, aber wenn man als Einzelbürger darauf hinweist inwiefern man sehr ungewöhnliche Situationen im persönlichen Kleinalltag bewältigen muß.... man erntet Gespött, die Polizei will es meist nicht glauben oder falls doch beruhigt und sagt haben leider nicht genügend Personal.

  • 9G
    92293 (Profil gelöscht)

    es ist schon wiedersinnig bis absurd. Da läßt man die us Techkonzerne jede verzögerte oder vorteilsmäßig für den Konzern eingeführte Änderung wird europaweit erlaubt und Zuckerberg und Co horten Bildmaterial und Daten für rein kommerzielle Zwecke. Selbst wenn man diesem Konzern mitteilt man möchte dieses Billigtool (kostenfrei) nicht nutzen und man möchte darin auch nicht vorkommen erhält man emails mit druckausübenden Antworten und von Normalbürger hämisches und dreckiges Gelächter. Gleichzeitig beginnen kleingeistige Kämpfe wie so so du willst da nicht vorkommen, jetzt fotografier ich dich erst recht. Die staatliche Instanz will keine Möglichkeiten haben dagegen vorzugehen. Tut mir Leid ich finde es nicht fortschrittlich was Zuckerberg uns da beschert hat und ich finde es nicht beruhigend oder befriedend, wenn der Staat ich in jedes technische Unnütztool reinhackt.

  • Gibt es eigentlich kein Tabu mehr, das auch Bestand hat? Polizisten sollten, wenn schon, weniger Befugnisse haben und stärker reglementiert undvkontrolliert werden. Das läuft alles so schief.