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Debatte über neues ParteiprogrammGrünen-Chefs doch gegen Agrogentech

Die Grünenspitze wollte das Veto gegen Gentechnik-Pflanzen aufweichen. Nun soll die Partei doch nicht fordern, dieses Forschungsgebiet zu stärken.

Bundesvorsitzende der Grünen: Robert Habeck (l.) und Annalena Baerbock (r.) Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | Der Bundesvorstand der Grünen hat seinen Antrag für das neue Parteiprogramm in puncto Agro-Gentechnik deutlich kritischer formuliert als zunächst. Die Parteispitze um Robert Habeck und Annalena Baerbock fordert nun „eine verbindliche Kennzeichnung“ von Gentech-Pflanzen, um „die gentechnikfreie Produktion und die Wahlfreiheit der Verbraucher*innen“ zu schützen. Prominente GegnerInnen der Agro-Gentechnik in der Partei zeigten sich am Mittwoch im Gespräch mit der taz zufrieden.

Der Vorstand hatte die Debatte initiiert, nachdem neue Gentechnik-Verfahren wie Crispr/Cas entwickelt worden waren. Sie erlauben es, Erbgut genauer zu verändern als bisher. BefürworterInnen halten das für nötig, um Pflanzen schneller an den Klimawandel anzupassen. Außerdem könne man so Resistenzen gegen Schädlinge erreichen und den Pestizideinsatz reduzieren. GegnerInnen argumentieren, dass die Technik vor allem genutzt werde, um Pflanzen gegen Pestizide immun zu machen und um eine umweltschädliche Landwirtschaft etwa mit Monokulturen zu erleichtern. Zudem befürchten sie unbeabsichtigte Veränderungen des Erbguts, die die Sicherheit beeinträchtigen könnten.

Zur Frage, ob neuartige Gentechnik-Pflanzen vor der Zulassung genauso überprüft werden müssen wie die alte Gentechnik, hieß es im ursprünglichen Antrag des Grünen-Vorstands nur, man halte „an einem strengen Zulassungsverfahren und an der europäischen Orientierung am Vorsorgeprinzip fest“. Dieses Prinzip besagt, dass Pflanzen schon verboten werden, wenn ihre Gefährlichkeit nur teilweise bewiesen ist. Dass sich die Parteispitze an diesem Grundsatz nur „orientieren“ wollte, stieß vielen Gentechnik-KritikerInnen übel auf.

Ihnen fehlte auch ein klares Bekenntnis zur Kennzeichnung von Gentechnik-Organismen. Schließlich ist die Kennzeichnungspflicht bisher der entscheidende Hebel, um gentechnisch veränderte Pflanzen fast völlig vom Lebensmittelmarkt der Europäischen Union auszuschließen. Denn die meisten VerbraucherInnen lehnten laut Umfragen „Gen-Food“ ab. Nur wegen der Kennzeichnung können sie diese Nahrungsmittel meiden. Deshalb wagten es die meisten Lebensmittelhersteller nicht, Gentechnik-Pflanzen zu nutzen.

Lob von Gentechnik-Gegnern

Der neuen Vorlage des Vorstands zufolge ist am Vorsorgeprinzip „festzuhalten“. Dazu seien „Risikoprüfungen“ nötig, heißt es in dem Papier. Dass die Forschung an der neuen Gentechnik ausgebaut werden solle, hat die Parteispitze gestrichen. Stattdessen verlangt sie jetzt, die Erforschung von Risiken und Nachweismethoden zu stärken.

„Ich bin da sehr nah an dieser Variante“, sagte der gentechnik­kritische Bundestagsabgeordnete Harald Ebner. „Wir entscheiden nicht: Da fällt was aus der Regulierung. Kein Paradigmenwechsel an der Stelle. Wir bleiben die Partei der Vorsorge, der Technikfolgenabschätzung.“ „Insofern ändert sich da inhaltlich nichts“, ergänzte Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament. Renate Künast, ernährungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, sprach von einer „guten Formulierung“.

Dorothea Kaufmann, promovierter Molekularbiologin und Stadträtin in Heidelberg, dagegen ist der Text zu „schwammig“. Sie beantragt deshalb, die Forschung an der neuen Gentechnik zu stärken. Hans Schmidt, Stadtrat in Wolfratshausen, verlangt in seinem Gegenantrag, dass diese Forschung gar nicht mehr gefördert wird.

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11 Kommentare

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  • RS
    Ria Sauter

    Da haben die Grünen die Kurve gerade mal so wieder hinbekommen.



    Wer bei dem Stoff Kobalt in Elektroautos von Kobolden spricht, sollte sich auch bitte nicht zur Gentechnik äussern.



    Die beiden Hauptakteure haben wohl noch erheblichen Nachholbedarf bei wichtigen Informationen.

  • Ach, der Ebner wieder. Cheflobbyist der milliardenschweren Ökolandbauindustrie...

  • da sollten die gruenen aber noch dreimal darueber nachdenken, ob das neue gentechnik verfahren wirklich so super ist. das problem bleibt bestehen: in der gruenen gentechnik ist eine kuenstliche veraenderung in der freien natur irreversibel. wann geben die forscher denn endlich zu, dass man bei veraenderungen des genetischen codes einfach nciht 100% sagen kann, was wirklich genau passiert mit dem neuen organismus? ach ja, methylisierung, wieder was neues entdeckt, gar nicht dran gedacht, kam vor 20 raus, und was kommt da noch? oder wissen wir schon alles?

    • @the real günni:

      Heute werden viele Pflanzen mittels künstlicher Mutagenese gezüchtet. Hier werden Samen mit radioaktiver Strahlung bestrahlt oder mit Zellgiften bearbeitet um so Mutationen zu bekommen und dann wird so lange gesucht bis die gewünschte Eigenschaft gefunden wurde. Die so gezüchteten Pflanzen sind auch im Bio-Anbau zugelassen. Mutationen können zufällig- mittels künstlicher Mutagenese entschanden- oder mithilfe neuer Gentechnik erzeugt sein. Ein Nachweisverfahren, wie diese Veränderung herbeigeführt wurde, gibt es nicht.

      • @Bernhard Hellweg:

        ist ganz einfach zu unterscheiden: die mutation hat in der lebenden pflanze stattgefunden und diese ueber die keimzellenan die naechste generation weitergegeben.



        ist wirklich ganz etwas anderes. etwas forciert, aber immer noch evolutionaer.

      • RS
        Ria Sauter
        @Bernhard Hellweg:

        Herr Hellwig, Züchtungen haben mit Gentechnik so gar nichts zu tun. das ist ein völlig anderes Verfahren.



        Ihre Behauptungen, schon jahrelang von Ihnen vorgetragen, werden durch die ständige Wiederholung nicht wahrer.

        • @Ria Sauter:

          was verstehen Sie unter Züchtung? Natürliche Auswahl? künstliche Mutagenese? neue Gentechnik wie bspw. Crispr/cas? oder oder transgene "alte Gentechnik"?

  • Gut so.

    Genfood geht gar nicht.

    Fleischverzehr einstellen und wir können jede Menge Biogetreide auch unter schlechteren klimatischen Bedingungen anbauen um uns alle bestens zu ernähren.

    Hunderte von Millionen Tieren müssen kein elendes Leben führen um dann brutal geschlachtet werden.

    Und die Menschen gesünder leben.

    Und weitaus weniger CO2 wird in die Luft gepustet.

    Muss doch selbstverständlich für Grüne sein.

    Wie kann man nur ernsthaft Genfood überhaupt in Betracht ziehen?

    • @shantivanille:

      Ohne Tierhaltung funktioniert funktioniert Bio-Landwirtschaft überhaupt nicht. Woher sollen die Pflanzennährstoffe kommen?

      • RS
        Ria Sauter
        @Bernhard Hellweg:

        Einfach mal die Suchmaschine Ihres Vertrauens anwerfen und genau nach Ihrer Frage suchen.



        Es gibt viele Möglichkeiten des Anbaus ohne tierischen Dünger.

        • @Ria Sauter:

          klar dann mit Kunstdünger, irgendwo müssen die Nährstoffe herkommen. Im Internet findet sich dazu gar nichts. Übrigens, Pflanzennährstoffe sind Mineralien, ich hoffe Sie wissen was das bedeutet.