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Leckere Mischung

Ein Berliner Start-up rettet Schokolade und andere Lebensmittel und kreiert daraus Neues. Ein Teil der Erlöse fließt in ein Ernährungs-Bildungsprogramm für Kinder und Jugendliche, die ihr eigenes Gemüse anbauen

Ein Teil der Schokolade landet bei der Herstellung im Müll Foto: Paul Paladin/Alamy/mauritius images

Von Kristina Simons

Mehr als 11 Kilo Schokolade essen die Deutschen pro Kopf im Jahr. Damit übertreffen sie sogar die Schokoladennation Schweiz, die gerade mal auf einen Pro-Kopf-Verbrauch von 9,7 Kilo kommt. Trotzdem landet ein erheblicher Teil der zartschmelzenden Süßigkeit im Müll, denn bei der Produktion, wenn zwischendurch die Sorte gewechselt wird, entstehen Hunderte Kilo Schokolade, die die Hersteller nicht verwerten können oder wollen.

Um Spuren der vorherigen Sorte zu entfernen, wird die Anlage mit Schokolade gereinigt. Stellt man etwa die Produktion von Milchschokolade auf Zartbitter um, werden erst mal mehrere Hundert Kilo Trennmasse aus beiden Schokoladensorten erzeugt. „Diese Schokolade, die sozusagen zur Spülung benutzt wird, ist von einwandfreier Qualität und hygienischer Reinheit und vor allem: richtig lecker“, sagt Jonas Bieber.

Er hat zusammen mit den Zwillingsbrüdern Philipp und Stefan Prechtner 2019 die Marke Rettergut für Lebensmittelprodukte aus geretteten Rohstoffen ins Leben gerufen. Erstes Produkt: die Mixschokolade. Dabei handelt es sich um genau das Mischprodukt, das beim Sortenwechsel entsteht und bei den Herstellern keine Verwendung findet. Je mehr Sorten es gibt, desto mehr fällt davon an.

„Wir haben die Schokolade probiert und waren entsetzt darüber, dass sie einfach weggeworfen wird. Schließlich werden mit der Schokolade auch alle aufgewendeten Ressourcen weggeworfen. Allein ein Kilogramm Kakao braucht bei der Herstellung bis zu 20.000 Liter Wasser“, so die Rettergut-Initiatoren. Die nehmen den Herstellern diese Schokolade ab und bereiten sie – CO2-neutral – zur Mix-Schokolade auf. Verpackt wird sie in kompostierbarer Folie und FSC-zertifiziertem Papier.

Nicht nur Schokolade, sondern insgesamt an die zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel aller Art landen jedes Jahr bei der Produktion, in Handel und Gastronomie und bei den Ver­brau­cher*in­­nen im Müll: weil sie krumm gewachsen sind, kleine Schönheitsfehler haben oder verwachsen sind. Weil sie nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums weggeschmissen werden, obwohl sie keineswegs schlecht, sondern noch genießbar sind. Oder weil die Auslage beim Bäcker auch abends noch die ganze Brotvielfalt zeigen soll, auch wenn das alles bis Ladenschluss gar nicht mehr verkauft werden kann.

Gleichzeitig verursacht die Produktion von Nahrungsmitteln erhebliche Treibhaus­gas­emis­sionen und verbraucht wertvolle Ressourcen: Ackerboden, Wasser und Dünger, Energie für Ernte, Verarbeitung und Transport.

Damit wollten sich die drei Rettergut-Initiatoren nicht abfinden: 2015 gründeten sie die Dörrwerk GmbH, um Snacks aus gerettetem Obst zu produzieren und zu vermarkten. Sie hoffen, mit ihren Produkten auch die Verbraucherinnen und Verbraucher zu erreichen, die sonst im Supermarkt eher vor Gemüse zurückschrecken, das nicht der Norm entspricht.

Als Rettergut bieten sie neben der Mix-Schokolade mittlerweile auch Bio-Suppen, -Aufstriche- und -Pestos, Nudeln sowie ein Erfrischungsgetränk an, alles hergestellt aus krummem Gemüse, Ernteüberschüssen und Produktionsresten. Innerhalb eines Jahres hat Rettergut fast 100 Tonnen Gemüse und andere Rohstoffe davor bewahrt, als Abfall oder Tierfutter zu enden.

Ein großer Teil ihrer Arbeit bestehe darin, herauszufinden, wann und wo Lebensmittel verschwendet würden: auf dem Acker, in Sortier- und Herstellbetrieben, im Handel und beim Verbraucher, erläutert Philipp Prechtner. „Auf der ganzen Strecke wird weggeworfen, was das Zeug hält. Das Problem ist größer, als man denkt.“

22 Schokoladen für 22 Stadtteile

Die Berliner Schriftstellerin, Literaturwissenschaftlerin und Schokoladenliebhaberin Tanja Dückers hat 2017 unter dem Namen „Preußisch süß“ Berliner Stadtteilschokoladen kreiert. 22 Sorten für 22 Stadtteile gibt es. Damit werde versucht, „den jeweiligen Charakter der Berliner Stadtteile in geschmacklich treffende Schokoladenprofile zu verwandeln“, wie es auf der Website preussisch-suess.de heißt. Klischees werden dabei „selbstredend bedient und nicht vermieden“.

Die Edelkakaosorten für die Fair-Trade-zertifizierten Schokoladen stammen direkt von ausgewählten kleinen Kooperativen, die ihre Kakaobäume biologisch bewirtschaften. Kaufen kann man die Stadtteilschokolade entweder im Onlineshop der Schokoladenmanufaktur Edelmond Chocolatiers (edelmond-shop.de) oder in verschiedenen Läden (Adressen unter preussisch-suess.de/verkaufsstellen).

Gerade haben die Lebensmittelretter in Kooperation mit den schottischen Craftbeer-Herstellern BrewDog ein Bier mit dem Namen Planet A kreiert – gebraut aus Aprikosen mit Schönheitsfehlern und altem Brot. Die beiden Unternehmen sind Nachbarn im Berliner Marienpark und Geschwister im Geiste, wie sie betonen. „So war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis wir gemeinsame Sache machen würden“, sagt Marcus Thieme, Chef von BrewDog Deutschland.

Noch mehr Futter fürs gute Gewissen: Weil sie schon Kindern und Jugendlichen den Wert von Lebensmitteln nahebringen wollen, fließt ein Teil des Rettergut-Umsatzes in das Bildungsprogramm GemüseAckerdemie des gemeinnützigen Vereins Ackerdemia: Kinder und Jugendliche bauen in Kitas und Schulen ihr eigenes Gemüse an und lernen so, wo Lebensmittel herkommen, wie sie wachsen und wie viel Arbeit in ihnen steckt.

Mehr als 650 Kitas und Schulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz nehmen mittlerweile an dem Bildungsprogramm teil. Rettergut selbst fördert außerdem eine eigene AckerSchule in Berlin-Charlottenburg, wo 20 Schüler*innen rund 30 verschiedene Gemüse­arten angebaut haben und pflegen.

Kaufen kann man die Rettergut-Produkte unter anderem in vielen Filialen von Rossmann, DM, Alnatura und Rewe, bei Sirplus und im Onlineshop www.doerrwerk.de. Pünktlich zur Weihnachtszeit gibt es einen 10er-Pack Mixschokolade in einer Box für 15 Euro – davon ­gehen 3 Euro an die Gemüseackerdemie.

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