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Abgespeist

Viele alte Menschen sind zufrieden mit dem Essen, das ihnen ins Haus geliefert wird, dazu gibt es Untersuchungen. Diese zeigen aber auch: Gesund ist das, was da auf dem Tisch kommt, nicht unbedingt. Wir haben es ausprobiert43–45

Von Benno Schirrmeister

Nicht, dass nachher jemand auf den Gedanken kommt, früher wäre irgendetwas besser gewesen. Das war es nicht. Schon gar nicht in der Verpflegung von alten Menschen.

Nein, auch wenn der zynische Ausdruck von den nutzlosen Essern erst Ende des 19. Jahrhunderts im militärischen Kontext auftritt und dann bei dann Nazis populär wird: Es spricht viel dafür, dass die Abgabe des Löffels, der die Teilnahme am Familienessen ermöglichte, älteren Menschen in ländlichen Gegenden mitunter mit Nachdruck nahegelegt worden ist. Zumal in Zeiten der Nahrungsmittelknappheit, die, wie der Medievist ­Philipp Schofield schreibt, nur sehr lückenhaft erforscht sind, die Speisung von Alten und Armen nicht als Hauptaufgabe der Gesellschaft empfunden wurde. Essen auf Rädern? Da träumste von! Eher hungern am Straßenrand.

Dass früher alles schlechter war, kann aber nicht als Anspruch und Maßstab ausreichen. Die wenigen Studien, die es zum Thema Essen auf Rädern gibt, belegen, dass es nur sehr selten an die Anforderungen einer zeitgemäßen, gesunden Ernährung angepasst ist. Und zwar nicht, um den Genuss zu steigern, weil es einfach lecker wäre, Fleisch in sämiger Soße zu essen. Sondern weil es einfacher ist, Fleisch in sämiger Soße warm zu halten.

Wer die Speisepläne der diversen „Essen auf Räder“-Anbieter anschaut, stößt auf Kaloriengewitter, die auch aktive Sportskanonen für den Rest des Tages außer Gefecht setzen dürften, und Holzfällerportionen, die einfach nur hilflos machen. Plus Milchreis mit Kompott. Das war vor acht Jahren bei der großen Studie der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) so, das war vor fünf Jahren bei der Stiftung-Warentest-Untersuchung so, und wer sich jetzt dafür interessiert, wird feststellen: Es hat sich nichts geändert.

Insofern wundert es auch nicht, dass gerade in Norddeutschland, wo gutes Essen nicht den gleichen Stellenwert genießt wie im Südwesten oder im südlichen Bayern – den Regionen, die an Länder mit großer kulinarischer Tradition grenzen –, die Anbieter davor zurückschrecken, sich Qualitätskontrollen wie der Zertifizierung durch die DGE zu unterziehen. Solange die Kund*innen nicht aufmucken und sich brav das Maul stopfen lassen, was sollte man dagegen haben?

Vielleicht das: Es ist nicht gut, in einer Gesellschaft zu leben, in der die Alten schon froh sind, wenn nur pünktlich jemand mit einem Tablett kommt, den Deckel lüftet und sie mit ihren Mischgerüchen wieder allein lässt. Es läuft etwas schief, wenn diejenigen, die von der immer höheren Lebenserwartung profitieren, diese Zeit damit verbringen, alles nur noch runterzuschlucken. Wir brauchen mehr unzufriedene Alte, die sich nicht so einfach abspeisen lassen.

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