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Stecken, Stab und Stengel

Osnabrücks Oberbürgermeistersohn darf in der sexistischen TV-Show „Der Bachelor“ Rosen an willige Frauen verteilen. Die Frage, ob seine Trash-Fernsehen-Präsenz dem Wahlkampf seines Vaters nutzt oder schadet, verleiht dem Format unverhofft Relevanz

Nicht die antike Komödie, bei der die Akteure mit vorgeschnalltem Riesenphallus über die Bühne taumelten, sondern Steckenpferd­reiter feiert Osnabrück mit Ampeln Foto: Swantje Hehmann/dpa

Von Carolina Schwarz

Erinnert man sich an die vergangenen „Bachelor“-Kandidaten, fallen einem zuerst ihre Skandale ein. Der ehemalige Profi-Kickboxer Sebastian Preuss behandelte nicht nur die Kandidatinnen der RTL-Verkupplungsshow schlecht, 2008 soll er einen Mann mit einem lebendigen Schwan verprügelt haben. Sein Vorgänger Andrej Mangold machte kürzlich wieder von sich reden, weil er als Kandidat der RTL-Show „Sommerhaus der Stars“ seine Mitbewohnerin und ehemalige Bachelor-Teilnehmerin Eva Benetatou gemobbt hatte. Doch statt sich beim großen Wiedersehen zu entschuldigen, sagte Mangold bloß: „Es ist eine Show, es geht um Quoten. Die haben wir gebracht.“

Nun steht die elfte Staffel an und wieder wird ein Single-Mann über 20 Frauen kennenlernen, mit ihnen auf spektakuläre Dates gehen und Woche für Woche entscheiden, wer eine Rose und damit in die nächste Sendung kommt und wer nach Hause gehen muss. Vergangene Woche wurde der Kandidat vorgestellt – und bislang ist er noch vollkommen skandalfrei.

Niko Griesert heißt er, ist 30 Jahre alt, groß, durchtrainiert, trägt braune Haare, Bart und ein strahlendes Lächeln. Er arbeitet als IT-Projektmanager und sein Hobby ist Fitness. Die ersten bekannten Fakten über den „Rosenkavalier“ lesen sich wie eine Blaupause der vorherigen Kandidaten. Doch eine Besonderheit gibt es: Niko Griesert ist Sohn des Osnabrücker Oberbürgermeisters Wolfgang Griesert.

Der CDU-Politiker hat das Amt seit sieben Jahren inne. Und beschäftigt sich dort aktuell mit einigem Erfreulichen, wie die Einweihung der ersten Steckenpferdreiter-Ampel, aber auch mit weniger Erfreulichem. Neben der Coronapandemie muss er sich nämlich auch mit der Umgestaltung des Neumarktes auseinandersetzen. Dieser liegt seit drei Jahren brach – laut einem SPD-Kollegen ein Sinnbild für das Versagen des OB.

Ob das zutrifft und wie es mit dem Osnabrücker Neumarkt weitergeht, wird den meisten RTL-Zuschauer:innen vermutlich total egal sein. Interessant ist jedoch, dass nächstes Jahr im Herbst Kommunalwahlen in Niedersachsen stattfinden – und Osnabrück zeitgleich eine:n neue:n Oberbürgermeister:in wählt. Ob Griesert für eine zweite Amtszeit kandidiert, hat er noch nicht bekanntgegeben. Die Osnabrücker CDU-Vorsitzende Verena Kämmerling und die Stadträtin Katharina Pötter sind als potenzielle Gegenkandidat:innen im Gespräch. Beide deutlich jünger und weiblicher als Griesert. Doch man sollte die Macht des Fernsehens, auch nicht die des Trash-TVs, nicht unterschätzen. Immerhin ziehen Sendungen dieser Art jede Woche ein Millionenpublikum vor die Fernseher. Mit seinem Sohn Niko als neuem Bachelor öffnet sich für Vater Griesert also eine ganz neue Wählerschaft – weiblicher und jünger –, wenn Sohn Niko nur gut genug abliefert.

Kein Steckenpferd, sondern eine Rose verteilt der Osnabrücker Oberbürgermeistersohn künftig im Fernsehen Foto: TV NOWW/dpa

Der steht nun vor einer Herausforderung: Denn mit einem hat sein Vorgänger Mangold wohl Recht, ohne Drama und Skandale funktioniert Reality-TV nicht. Damit die Zuschauer:innen auch in der elften Staffel wieder Woche für Woche einschalten, braucht es ­Action. Machomäßiges Verhalten, wie Preuss es an den Tag legte, der beleidigt war, wenn Frauen ihn nicht küssen wollten und sie dann aus Sendung schmiss, bringt zwar Quote, wird Griesert sich aber nicht erlauben können. Denn Preuss bekam daraufhin einen Shitstorm in sozialen Medien von der weiblich dominierten Zuschauerschaft – in Grieserts Fall könnte das auch schlecht auf seinen Vater zurückfallen. Um die CDU-Wählerschaft nicht zu verschrecken, muss er bei der Suche nach seiner großen Liebe eher den Vorzeigeschwiegersohn mimen.

Dieser Drahtseilakt wird vermutlich genügend Spannung für die kommende Staffel, die ab Januar ausgestrahlt wird, liefern. Unabhängig davon, ob man diese Sendung nun „ironisch“ anguckt, wie viele Zuschauer:innen behaupten, man sich einfach in einer von der Pandemie bestimmten Zeit in andere Welten flüchten und ablenken will oder doch heillose Romantiker:in ist – ohne Drama funktioniert die Sendung nicht.

Spielen die Eltern bei der Sendung meist nur eine kleine Rolle, könnte es dieses Mal ganz anders laufen. Schon im Vorhinein liefert Niko die passende Promo für seinen Vater mit. „Sie sind definitiv ein Vorbild und ein sehr tolles Paar“, sagte er gegenüber RTL und zeigt Bewunderung für die seit 30 Jahren bestehende Ehe seiner Eltern. Da aufgrund von Covid-19 nicht in Mexiko, Haiwaii oder Miamii gedreht wurde, sondern im beschaulichen Deutschland, stehen die Chancen nicht schlecht für das Elternpaar Griesert, in der Show zu sehen zu sein. Selbst wenn es dann mit einer zweiten Amtszeit als Oberbürgermeister nichts würde, stünden ihm dann Türen offen. Denn die Teilnahme an einer Reality-Show ermöglicht meist die Teilnahme an der nächsten. Vielleicht sehen wir Wolfgang Griesert dann bald als Kandidat im Dschungelcamp.

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