Neue Coronamaßnahmen in Frankreich: Ausgefeiert

Die über mehrere Städte Frankreichs verhängte nächtliche Ausgangssperre ist Zeichen für das Versagen Macrons. Die Konsequenzen muss das Volk tragen.

Leere Sitze in Pariser Metrometro während der neuerlichen nächtlichen Sperrstunde

Gähnende Coronaleere: die Metro von Paris während der neuerlichen nächtlichen Sperrstunde Foto: Joli Lewis/ap

Seit Samstag ist eine Ausgangssperre von abends 21 Uhr bis 6 Uhr früh in Kraft. Was von den wenigen kulturellen, sportlichen, gastronomischen Freizeitvergnügen noch erlaubt war, fällt für ein Drittel der Gesamtbevölkerung wegen der frühen Sperrstunde bis auf Weiteres ins Wasser.

Da laut Ansicht der Spezialisten aber die große Mehrheit der Ansteckungen mit dem Coronavirus tagsüber, und vor allem auf der Arbeit oder auf dem Weg dorthin, erfolgen, erscheint das staatliche Verbot, sich nach der Arbeit zu amüsieren, weitgehend irrational oder zumindest inkonsequent. Staatspräsident Macron wollte um jeden Preis eine zweite Lockdown-Periode mit einer weitgehenden Lähmung der Wirtschaft wie im Frühling vermeiden. Er gibt der Arbeit (wenn möglich im Homeoffice) die Priorität, die Freizeit muss warten.

Hatte die Regierung eine andere Wahl? Das ist aus der Sicht der Kritiker die falsche Fragestellung. Sie wollen stattdessen wissen, wie es so weit kommen konnte, dass das Gesundheitswesen, auf das die Nation so stolz war, derart überfordert ist. Und auch, warum die zu jeglicher Antizipation unfähigen Behörden des Zentralstaats jedes Mal mit großer Verspätung reagiert haben. Nur 35 Prozent der befragten Bürger und Bürgerinnen vertrauen heute noch der Staatsführung im Kampf gegen Covid-19.

Heute haben viele den Eindruck, für das Fiasko einer unfähigen Obrigkeit mit der Einbuße ihrer Freiheit einen hohen Preis bezahlen zu müssen

Und das wird sich so schnell nicht ändern, denn die Anordnung einer Ausgangssperre in neun Großstadtregionen ist das Eingeständnis eines kollektiven Misserfolgs der bisherigen Bemühungen. In einem Fernsehinterview wollte Macron freilich kein „Scheitern“ eingestehen, er räumte bloß ein, alles habe „nicht geklappt“. Der Unterschied ist ebenso wenig verständlich wie die gesamte Kommunikation der Regierung in Sachen Prävention.

Heute haben viele den Eindruck, für das Fiasko einer unfähigen Obrigkeit mit der Einbuße ihrer Freiheit einen hohen Preis bezahlen zu müssen. Für eine Mehrheit in Frankreich steht schon fest, dass die Staatsführung von Beginn weg nur ihre Unterlassungen und ihre Inkompetenz vertuschen wollte und damit für das tragische Versagen im Kampf gegen Corona der Nation Rechenschaft schuldig ist.

Gegen ehemalige und amtierende Regierungsmitglieder und Spitzenbeamte der Gesundheitsdirektion, deren Büros und Privatwohnung in dieser Woche polizeilich durchsucht wurden, läuft wegen Strafklagen ein gerichtliches Verfahren.

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Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.

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