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Neue Coronamaßnahmen in FrankreichAusgefeiert

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Die über mehrere Städte Frankreichs verhängte nächtliche Ausgangssperre ist Zeichen für das Versagen Macrons. Die Konsequenzen muss das Volk tragen.

Gähnende Coronaleere: die Metro von Paris während der neuerlichen nächtlichen Sperrstunde Foto: Joli Lewis/ap

S eit Samstag ist eine Ausgangssperre von abends 21 Uhr bis 6 Uhr früh in Kraft. Was von den wenigen kulturellen, sportlichen, gastronomischen Freizeitvergnügen noch erlaubt war, fällt für ein Drittel der Gesamtbevölkerung wegen der frühen Sperrstunde bis auf Weiteres ins Wasser.

Da laut Ansicht der Spezialisten aber die große Mehrheit der Ansteckungen mit dem Coronavirus tagsüber, und vor allem auf der Arbeit oder auf dem Weg dorthin, erfolgen, erscheint das staatliche Verbot, sich nach der Arbeit zu amüsieren, weitgehend irrational oder zumindest inkonsequent. Staatspräsident Macron wollte um jeden Preis eine zweite Lockdown-Periode mit einer weitgehenden Lähmung der Wirtschaft wie im Frühling vermeiden. Er gibt der Arbeit (wenn möglich im Homeoffice) die Priorität, die Freizeit muss warten.

Hatte die Regierung eine andere Wahl? Das ist aus der Sicht der Kritiker die falsche Fragestellung. Sie wollen stattdessen wissen, wie es so weit kommen konnte, dass das Gesundheitswesen, auf das die Nation so stolz war, derart überfordert ist. Und auch, warum die zu jeglicher Antizipation unfähigen Behörden des Zentralstaats jedes Mal mit großer Verspätung reagiert haben. Nur 35 Prozent der befragten Bürger und Bürgerinnen vertrauen heute noch der Staatsführung im Kampf gegen Covid-19.

Heute haben viele den Eindruck, für das Fiasko einer unfähigen Obrigkeit mit der Einbuße ihrer Freiheit einen hohen Preis bezahlen zu müssen

Und das wird sich so schnell nicht ändern, denn die Anordnung einer Ausgangssperre in neun Großstadtregionen ist das Eingeständnis eines kollektiven Misserfolgs der bisherigen Bemühungen. In einem Fernsehinterview wollte Macron freilich kein „Scheitern“ eingestehen, er räumte bloß ein, alles habe „nicht geklappt“. Der Unterschied ist ebenso wenig verständlich wie die gesamte Kommunikation der Regierung in Sachen Prävention.

Heute haben viele den Eindruck, für das Fiasko einer unfähigen Obrigkeit mit der Einbuße ihrer Freiheit einen hohen Preis bezahlen zu müssen. Für eine Mehrheit in Frankreich steht schon fest, dass die Staatsführung von Beginn weg nur ihre Unterlassungen und ihre Inkompetenz vertuschen wollte und damit für das tragische Versagen im Kampf gegen Corona der Nation Rechenschaft schuldig ist.

Gegen ehemalige und amtierende Regierungsmitglieder und Spitzenbeamte der Gesundheitsdirektion, deren Büros und Privatwohnung in dieser Woche polizeilich durchsucht wurden, läuft wegen Strafklagen ein gerichtliches Verfahren.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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4 Kommentare

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  • Aber die harten-Covid-Präventionsmaßnahmen in Frankreich haben ERFOLG gezeit! Die Covid-Zahlen gehen Anfg. Dezember herunter-liegen sogar schon unter den Deutschen!

  • Epidemiologische oder gesundheitspolitische Katastrophe?

    Zitat: „Sie wollen stattdessen wissen, wie es so weit kommen konnte, dass das Gesundheitswesen, auf das die Nation so stolz war, derart überfordert ist.“

    Diese Frage stellt man sich in Frankreich seit Beginn der Epidemie mit der Erkenntnis, daß es sich bei der jetzigen Giga-Krise weniger um eine epidemiologische als um eine gesundheitspolitische Katastrophe handelt. In der Tat gehörte Frankreichs Gesundheitssystem noch vor wenigen Jahren zu den besten der Welt, an dem sich die USA ein Beispiel nehmen sollten, so 2008 Nobelpreisträger Paul Krugman. Inzwischen ist es unter der Diktatur des Washington Consensus und seiner Erfüllungsgehilfen von Sarkozy bis Macron monetaristisch zusammengestaucht und in eine renditesüchtige Gesundheitsindustrie verwandelt worden, die an der Börse gehandelt wird. In den letzten 10 Jahren wurden 70 000 Krankenhausbetten abgebaut. Die Zahl der Intensivbetten wurde auf 5000 eingedampft.

    Daher sieht sich die französische Regierung inzwischen mit zahlreichen Strafanzeigen beim Gerichtshof der Republik (CRJ) konfrontiert, der sich einige Hundert Ärzte und weiteres medizinische Personal angeschlossen haben, unterstützt von Petitionen mit Hunderttausenden von Unterschriften. Der Vorwurf lautet auf unterlassene Hilfeleistung und fahrlässige Tötung. Die französische Regierung habe nicht rechtzeitig vorgesorgt, um Kranke und Pfleger vor der Corona-Epidemie zu schützen. So hätte sie u.a. rechtzeitig medizinische Masken und Tests für Covid-19 vorhalten müssen.



    Bei den erwähnten ins Visier der Justiz geratenen amtierenden und früheren hochrangigen Regierungsmitgliedern handelt es sich um den früheren Premier Edouard Philippe, der früheren Gesundheitsministerin Agnès Buzyn und ihren Nachfolger Olivier Véran, der früheren Regierungssprecherin Sibeth Ndiaye sowie den amtierenden Chef der Gesundheitsbehörde Jérôme Salomon. Macron entgeht der Strafverfolgung nur dank der Immunität seines Amtes.

    • @Reinhardt Gutsche:

      Das müssen diese "französischen Werte" sein.

  • Gibt es eine Quelle für das Anstecken am Arbeitsplatz oder auf dem Weg dorthin?



    Bisher hörte ich das immer anders.