Besuchsregeln in Krankenhäusern: 60 Minuten Liebe

Einige Berliner Krankenhäuser verordnen strengere Coronamaßnahmen als der Senat. Was in welchen Kliniken noch erlaubt ist.

Es ist ein Schild zu sehen, auf dem eine Handfläche abgebildet ist, darunter die Aufschrift "Stopp! Besuchsverbot"

In vielen Berliner Krankenhäusern gilt Besuchsverbot Foto: Matthias Balk/dpa

Immer mehr Berliner Krankenhäuser verhängen Besuchsverbote, darunter die neun Vivantes-Kliniken, die drei DRK-Kliniken, das St. Joseph- sowie das Franziskus-Krankenhaus. Grund dafür sind die stark steigenden Coronafallzahlen und das erhöhte Ansteckungsrisiko in den Einrichtungen.

Mit den Verboten greifen die Kliniken härter durch als der Senat selbst, der vergangene Woche neue Besuchsregeln für Krankenhäuser verordnet hat: Seit dem Wochenende dürfen Patient*innen demnach nur noch einmal täglich für eine Stunde von einer Person Besuch bekommen. Diese Regelung gilt auch für Neugeborene und ihre Mütter. Geschwister des Babys dürfen die besuchende Person begleiten, wenn sie nicht älter als 16 Jahre sind.

Voraussetzung für einen Besuch im Krankenhaus ist, dass die Besucher*innen keine Covid-19-Symptome aufweisen. Hierzu zählen laut Robert-Koch-Institut etwa Husten, Schnupfen, Fieber sowie Geschmacks- und Geruchsverlust. Beim Treffen selbst müssen sowohl Patient*innen als auch Besucher*innen eine Mund-Nasen-Maske tragen.

In der Senatsverordnung gibt es aber auch Ausnahmen. Sterbende, Schwerstkranke sowie Kinder unter 16 Jahren können uneingeschränkt von gesunden Personen Besuch empfangen. Anfangs hatte die Coronaverordnung einen Fehler enthalten. Demnach galt auch für Kinder nur ein einstündiges Besuchsrecht. Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) kündigte in einem Brief an die Berliner Krankenhäuser an, den Fehler zu korrigieren.

Besuchsregeln variieren je nach Klinik

Die konkreten Besuchsregeln variieren allerdings von Klinik zu Klinik. Während die Charité und die sieben Krankenhäuser der Johannesstift Diakonie die Senatsverordnungen umsetzen, verhängen andere Krankenhäuser strengere Besuchsregeln. Das ist erlaubt. Die strengeren Maßnahmen – etwa komplette Besuchsverbote – müssen jedoch zuvor vom jeweiligen Gesundheitsamt genehmigt werden.

In den Krankenhäusern von Vivantes, einem der größten Krankenhausbetreiber Berlins, gilt seit mehr als einer Woche Besuchsverbot. Selbst Mütter und ihre Neugeborenen dürfen keinen Besuch empfangen, auch nicht vom anderen Elternteil. Das bestätigte Pressesprecherin Mischa Moriceau der taz. Ausgenommen von dem Verbot seien Schwerstkranke sowie Kinder. Wie lange und von wie vielen Personen diese Besuch bekommen dürften, müsse mit den verantwortlichen Ärzt*innen besprochen werden. Ähnliche Regeln wie in den Vivantes-Kliniken gelten im St.-Joseph- sowie im Franziskus-Krankenhaus. Der Unterschied: Neben Schwerstkranken und Kindern dürfen hier auch Mütter und ihre Neugeborenen einmal täglich von einer gesunden Person Besuch empfangen.

Am strengsten sind die Beschränkungen in den drei DRK-Kliniken, in denen seit Montag Besuchsverbot gilt. Anders als in den anderen Berliner Krankenhäusern dürfen hier Schwerstkranke und Kinder nur einmal täglich für eine Stunde Besuch bekommen. Kinder könnten jedoch durchgehend von einem Elternteil begleitet werden, heißt es auf der Webseite der Krankenhäuser.

Expert*innen äußern Kritik

Die Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Islim Kalali sieht die Regelung des DRK kritisch. „In einer solchen Situation brauchen Kinder ihre engsten Bezugspersonen um sich. Dazu gehört nicht nur ein Elternteil“, sagt sie. Für die Genesung eines Kindes sei es wichtig, dass es beide Elternteile und seine Geschwister bei sich habe. „Ein Besuch von einer Stunde ist viel zu kurz“, sagt Kalali.

Auch Daniela Golz, Patientenfürsprecherin im Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum, ist wütend. „Für die Patient*innen ist das Besuchsverbot eine Katastrophe“, sagt Golz. Viele würden extrem darunter leiden, ihre Familien und Freunde nicht mehr sehen zu können. Das sei eine „starke emotionale Belastung“. Vor allem für Patient*innen, die lange im Krankenhaus lägen, sei das Verbot furchtbar. „Jetzt bleibt alles bei den Pfleger*innen hängen, nur haben diese eigentlich keine Zeit dafür, mit den Patient*innen zu plaudern“, sagt Golz. Sie fordert Schnelltests für Besucher*innen. Auch Günter Esser, Direktor der Akademie für Psychotherapie und Interventionsforschung der Universität Potsdam, sagt: „Die psychische Gesundheit beschleunigt mit hoher Wahrscheinlichkeit die Genesung.“

Anders als für Krankenhäuser hat der Senat für Alten- und Pflegeheime keine Besuchsregeln verordnet. Die Häuser setzen eigene Pläne um. In den acht Seniorenheimen der Caritas etwa müssen Besucher*innen ihre Kontaktdaten angeben sowie einen Schutzkittel tragen, sagt Claudia Appelt von der Caritas Altenhilfe.

Besuchsverbote wie im Frühjahr seien bisher nicht geplant. „Die daraus resultierenden psychischen Belastungen der Bewohner*innen sind einfach zu groß“, sagt Appelt. Ein erneutes Besuchsverbot wäre nur dann sinnvoll, wenn sich ein*e Bewohner*in oder ein*e Mitarbeiter*in mit dem Covid-19-Virus infizieren würde. Derzeit sind 34 Berliner Pflegeeinrichtungen von Infektionen betroffen, teilte die Gesundheitsverwaltung am Dienstag mit.

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