piwik no script img

Ungewisse US-Präsidentschaftswahlen

Was würde passieren, wenn ein Präsident sein Amt wegen Krankheit oder Tod nicht weiterführen könnte? Und was bedeutet Trumps Erkrankung für den Wahlkampf? Die wichtigsten Fragen im Überblick

Von Hansjürgen Mai

Wie krank ist US-Präsident Donald Trump wirklich?

Zu Trumps aktuellem Gesundheitszustand gab es am Samstag zwei widersprüchliche Aussagen. Trumps Leibarzt Dr. Sean Conley erklärte während einer Pressekonferenz, dass es dem Präsidenten „sehr gut“ ginge, er jedoch die nächsten paar Tage zur Beobachtung im Krankenhaus verbringen werde. Trump Symptome seien leichter Husten, Schnupfen und Ermüdungserscheinungen, sagte Conley. Nur kurz nach dem Ende der Pressekonferenz wurde jedoch bekannt, dass sich der Gesundheitszustand des 74-Jährigen am Freitag drastisch verschlechterte.

Was passiert mit dem Wahlkampf?

Donald Trumps Wahlkampfteam verkündete am Freitag, dass vorerst alle Wahlkampfauftritte des Präsidenten entweder verschoben oder in die virtuelle Welt verlegt werden. Biden erklärte in einer Pressemitteilung, dass er weiter für die Gesundheit seines Kontrahenten und dessen Familie beten werde.

Eine zweite TV-Debatte zwischen Trump und Biden ist aktuell für den 15. Oktober angesetzt. Da sich der Präsident bis zum 14. Oktober in Quarantäne befinden könnte, ist eine Verschiebung oder Absage des Termins nicht komplett ausgeschlossen.

US-Vizepräsident Mike Pence wird im Gegensatz zu Trump seine Wahlkampfauftritte wie geplant fortsetzen. Am kommenden Dienstag trifft der frühere Gouverneur des US-Bundesstaates Indiana beim einzigen TV-Duell der beiden Vizepräsidentschaftskandidaten auf die kalifornische Senatorin und demokratische Vizekandidatin Kamala Harris.

Könnte die Infektion dem Präsidenten zu mehr Stimmen verhelfen?

Schwer zu sagen. Dass sich Trump nur wenige Wochen vor dem Wahltermin infiziert hat, ist zunächst einmal ein klarer Nachteil – gesundheitlich wie auch politisch. In den kommenden Tagen und vielleicht sogar Wochen wird der Präsident womöglich keine Gelegenheit haben, sich seinen Anhängern persönlich zu präsentieren. Dabei sind es genau diese Wahlkampfveranstaltungen, die zu Trumps Stärken zählen.

Trump ist allerdings nicht der erste Regierungschef, der sich mit einem positiven Coronavirusbefund konfrontiert sieht. Der britische Premierminister Boris Johnson und der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro haben beide die Erkrankung unbeschadet überstanden. Trump selbst hat die Gefahr des Virus öffentlich immer wieder heruntergespielt. Ein milder Krankheitsverlauf könnte dem Präsidenten daher mehr Glaubwürdigkeit verleihen.

Wer übernimmt die Macht bei Krankheit oder Tod eines Präsidenten?

Die amerikanische Verfassung regelt die Nachfolgefrage in Zusatzartikel 25. Sollte ein Präsident während der Amtszeit sterben oder aus anderen Gründen nicht in der Lage sein, die Funktion seines Amtes auszuführen, übernimmt demnach der Vizepräsident die Rolle des Präsidenten – aktuell wäre das Mike Pence.

Bei einem Todesfall läuft dieser Vorgang automatisch ab. Bei krankheitsbedingter Handlungsunfähigkeit hingegen müsste Trump sowohl den Senatsvorsitzenden Senator Chuck Grassley als auch die Sprecherin der Repräsentantenhauses Nancy Pelosi schriftlich darüber informieren, dass er seinen Verpflichtungen vorübergehend nicht nachkommen kann. Sollte Trump im Anschluss bereit sein, das Präsidentenamt wieder zu übernehmen, müsste er dies mit einem zweiten Schreiben an Grassley und Pelosi verkünden. Pence würde daraufhin in seine Rolle als Vizepräsident zurückkehren. Sollte Trump nicht in der Lage sein, ein Schreiben zu verfassen, fällt diese Aufgabe in die Hände von Pence und der Mehrheit der Kabinettsmitglieder.

Wenn ein Präsidentschaftskandidat vor der Wahl stirbt, kann er dann ersetzt werden?

Da Millionen von US-Bürgern bereits mithilfe der Briefwahl für Donald Trump oder Joe Biden gestimmt haben, ist es zu spät, um einen der beiden Kandidaten im Todesfall auf dem Stimmzettel zu ersetzen.

Könnte das Wahldatum verschoben werden?

Ja, aber dies ist äußerst unwahrscheinlich. Die US-Verfassung erteilt dem Kongress die Befugnis, das Wahldatum festzulegen. Laut amerika­nischer Rechtsprechung sollen die Wahlen alle vier Jahre am ersten Dienstag im Monat November abgehalten werden.

Das demokratisch kontrollierte Abgeordnetenhaus würde allein schon aus strategischen Gründen einer Verschiebung der Wahl vermutlich nicht zustimmen. In der Geschichte der Vereinigten Staaten wurden Wahlen noch nie verschoben, auch nicht die Midterm-Election im Jahr 1918, die während der Hochzeit der Spanischen Grippe abgehalten wurde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen