Frieden ohne Krieg und ein Krieg ohne Frieden

Die Emirate und Bahrain haben Israel offiziell anerkannt. Die US-Regierung setzte die Annäherung pompös in Szene. Aus dem Gazastreifen flogen derweil Raketen auf Israel

Dicht an dicht (nicht nur für Pandemie­zeiten, auch für nahöstliche Verhältnisse): Trump und Netanjahu mit den Außen­ministern der Emirate und Bahrains Foto: Tom Brenner/reuters

Von Jannis Hagmann

Es waren ungewöhnliche Szenen, die sich am Dienstag vor den mehreren hundert Gästen im Garten des Weißen Hauses abspielten. Zwischen den Flaggen Bahrains und der Emirate wehte der blaue Davidstern Israels. Auf der Terrasse darüber standen dicht an dicht: Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und die Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrains, Abdullah bin Zajid Al Nahajan und Abdullatif bin Raschid al-Zajani.

Die feierliche Zeremonie galt der Unterzeichnung der angekündigten Normalisierungsabkommen zwischen Israel und den beiden Golfstaaten, die eine Aufnahme diplomatischer Beziehungen vorsehen. Die US-Regierung hat die historische Annäherung in den vergangenen Wochen verstärkt vorangetrieben und die Unterzeichnung nun pompös in Szene gesetzt. Von einem „neuen Nahen Osten“ sprach Donald Trump. Einen großartigen Tag für die „Kinder Abrahams“ sah Netanjahu. Und von einem „Wandel der Region“ sprach Abdullah bin Zajid.

Bahrain hatte erst am Freitag angekündigt, sich den Emiraten anzuschließen und Israel ebenfalls anzuerkennen. Im Gegenzug will Netanjahu die angekündigte Annexion von Teilen des besetzten Westjordanlands, das die Palästinenser*innen für einen eigenen Staat beanspruchen, „aussetzen“.

Zwar muss auf israelischer Seite noch die Knesset ihre Zustimmung geben, doch dies gilt als Formsache. Damit steigt die Zahl der arabischen Staaten, die diplomatische Beziehungen mit Jerusalem unterhalten, auf vier. Ägypten und Jordanien haben bereits vor Jahrzehnten mit Israel Frieden geschlossen. Die neuen Abkommen allerdings sind streng genommen keine Friedensabkommen (auch wenn sie offiziell so betitelt sind), da sich weder die Emirate noch Bahrain mit Israel im Krieg befanden. Zusätzlich zu den beiden Abkommen bekräftigten alle vier Parteien ihren Willen zu Frieden und Toleranz in einem weiteren Dokument unter dem Titel Abraham-Abkommen.

Erst Stunden nach der Zeremonie veröffentlichte das Weiße Haus den Wortlaut der Dokumente, der mit Spannung erwartet wurde, da zentrale Fragen bis zuletzt offengeblieben waren. Von der seit Jahrzehnten angestrebten Zweistaatenlösung für Israel und Palästina ist nicht mehr die Rede. Es wird allein auf den zu Beginn des Jahres veröffentlichten US-Nahostplan verwiesen, der eine „realistische Zweistaatenlösung“ erwähnt, die in dem Plan aber einhergeht mit der Annexion von etwa einem Drittel des palästinensischen Westjordanlands durch Israel. In dem Vertrag zwischen Israel und den Emiraten ist statt von der Zweistaatenlösung von einer „fairen, umfassenden, realistischen und dauerhaften Lösung“ die Rede. Der Vertrag mit Bahrain ist in diesem Punkt fast wortgleich.

Die Befürchtung, dass die israelisch-golfarabischen Abkommen an den Nutzungsregelungen des Tempelbergs in der Altstadt von Jerusalem rütteln würden, bestätigte sich nicht. Das Gelände umfasst den Felsendom und die Al-Aqsa-Moschee, die drittwichtigste Moschee im Islam. Aktuell dürfen Juden und Jüdinnen das Plateau besuchen, das öffentliche Gebet ist aber Muslim*innen vorbehalten. Der Tempelberg wird in den Abkommen vom Dienstag aber nicht erwähnt.

Weiter Unklarheit herrscht indes in Bezug auf einen möglichen Rüstungsdeal zwischen den USA und den Emiraten, den Israel stets abgelehnt hat. Die Emirate möchten hochmoderne F-35-Kampfjets kaufen. Das Geschäft wird in dem Vertrag zwar nicht erwähnt, allerdings sagte Trump direkt vor der Unterzeichnung: „Ich persönlich hätte damit kein Problem.“ Er fügte aber hinzu, dass einige Leute Bedenken hätten. Israel will verhindern, dass andere Staaten der Region eine ebenbürtige Luftwaffe aufbauen.

Die feierliche Atmosphäre im Weißen Haus konnte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass wichtige Akteur*innen nicht dabei waren. Vertreter*innen der Pa­läs­tinenser*innen fehlten vollständig. Noch am Abend teilte das Büro von Palästinenser­präsident Mahmud Abbas mit: „Das Hauptproblem liegt nicht zwischen den Staaten, die diese Abkommen mit der israelischen Besatzungsmacht geschlossen haben, sondern bei den palästinensischen Menschen, die unter der Besatzung leiden.“ Zuvor war es im Westjordanland zu Protesten gekommen.

Aus dem Gazastreifen schossen Militante während der Rede Netanjahus in Washington mehrere Raketen auf Israel. In der Nacht auf Mittwoch folgten weitere. Dabei wurden in der Stadt Aschdod zwei Menschen leicht verletzt. Das israelische Militär griff daraufhin Ziele der Hamas an.

„Das Hauptproblem liegt bei den Menschen unter Besatzung“

Mahmud Abbas, Palästinenserpräsident

Trump zeigte sich am Dienstag überzeugt, dass andere arabische Staaten Israel ebenfalls anerkennen werden. „Wir haben viele Nationen, die bereit sind zu folgen.“ Von „mindestens fünf oder sechs“ Staaten sprach der US-Präsident, der die Abkommen vom Dienstag vor der US-Wahl im November als außenpolitischen Erfolg verbucht. Als Kandidaten ­gelten Oman, Sudan und Marokko. Aber auch Saudi-Arabien hat in den vergangenen Wochen signalisiert, dass es einer Annäherung nicht abgeneigt ist. Dass die Saudis allerdings ihre Beziehungen mit Israel komplett normalisieren, gilt als unwahrscheinlich. Zum einen dürfte Riad größere Schwierigkeiten haben als die autoritären Kleinstaaten Emirate und Bahrain, einen solchen Schritt der eigenen Bevölkerung gegenüber zu legitimieren. Zum anderen war es die saudische Führung, die 2002 die sogenannte Arabische Friedensinitiative der Arabischen Liga ins Leben rief.

Diese sieht vor, dass die arabischen Staaten eine Normalisierung der Beziehungen mit Israel nur gemeinsam beschließen – nicht einzeln wie jetzt die Emirate und Bahrain. Außerdem könne es eine An­erkennung Israels nur dann ­geben, wenn der Konflikt mit den Palästinenser*innen gelöst sei und Israel einem un­abhängigen Staat Palästina zustimme.

„Die arabische Friedensinitiative war ein Hindernis auf dem Weg, Frieden mit uns zu schließen“, erklärte Yossi Beilin, einstiger israelischer Friedensunterhändler, am Dienstag im Vorfeld der Zeremonie. Über die Unterzeichnung der Abkommen zeigte er sich erfreut: Sie seien eine der Errungenschaften, „von denen man denkt, dass man sie im Leben nicht mehr sehen wird.“

Kritiker*innen halten dem entgegen, dass die US-Administration einen einseitig proisraelischen Kurs fährt, in dem die Pa­läs­tinenser*innen schlichtweg nicht vorkommen. Trump hat die Palästinenser*innen mehrfach vor den Kopf gestoßen, etwa indem er die US-Botschaft nach Jerusalem verlegte, dessen Ostteil die Führung in Ramallah als künftige palästinensische Hauptstadt beansprucht. Auch strich seine Administration Hilfsgelder und erklärte, sie sehe im israelischen Siedlungsbau im palästinensischen Westjordanland keinen Verstoß gegen das Völkerrecht

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