Entwicklungspolitik in der Klimadebatte: Klima ist nicht nur in Bremen

Entwicklungspolitik spielt in der Bremer Klima-Enquête bislang kaum eine Rolle. Dabei trifft den Globalen Süden die Erderwärmung besonders hart.

Klimaschutzdemo vor dem Hauptbahnhof mit Plakaten vor Corona-Zeiten

Ein Freitag der jüngeren Vergangenheit: Der globale Aspekt der Klimadebatte ist bekannt Foto: Claudia Konerding

BREMEN taz | Das Bremer entwicklungspolitische Netzwerk (BEN) fordert die Klimaschutz-Enquête dazu auf, entwicklungspolitische Ziele stärker bei der Arbeit an einer Klimaschutzstrategie zu berücksichtigen. Ein entsprechendes Positionspapier hatte das BEN kürzlich veröffentlicht. Bereits jetzt treffe der Klimawandel den Globalen Süden „mit besonderer Härte“, begründet der Verein seine Forderungen. Dabei hätte dieser „am wenigsten zur Änderung des Klimas beigetragen“.

Zur Enquêtekommission gab es noch keinen Kontakt, sagt BEN-Geschäftsführer Christopher Duis. „Jetzt haben wir uns eingebracht, weil das Thema nicht vorherrschend zu sein scheint.“ Im Gegensatz zum BEN ist die Senatskanzlei ständiger Gast der Enquête. Die entwicklungspolitische Organisation möchte aber, dass explizit das Referat Entwicklungszusammenarbeit/ Internationales einbezogen wird.

Das werde auch passieren, sagt Enquête-Vorsitzender Martin Michalik (CDU). „Die Enquêtekommission hat sich von Anfang an zum Ziel gesetzt, möglichst viele relevante Klimaschutzakteure in ihre Arbeit einzubeziehen.“ Um Themen der Entwicklungszusammenarbeit in die Enquête einzubringen, sagt Senatssprecher Christian Dohle, stehe die Senatskanzlei in regelmäßigem Austausch mit dem erwähnten Referat.

Duis fordert zudem den Aufbau weiterer Städtepartnerschaften und damit einhergehend einen Austausch von kommunalen Unternehmen und der Verwaltung mit den entsprechenden Pendants in den Partnerkommunen. Es sei wichtig, Wissen zu teilen und Strukturen zu stärken, die sich vor Ort mit Klimaschutz und Klimaanpassung auseinandersetzen. Weitere Partnerschaften als die schon bestehenden und gut gepflegten seien derzeit nicht geplant, sagt Dohle. Denn: „Eine Verpflichtung dieser Art muss genau überlegt werden, da diese gelebt und umgesetzt werden muss.“

Christoper Duis, BEN

„Und dann gehen die in die Turnhalle und kicken mit Ausbeuter-Bällen rum“

Eine weitere Forderung des BEN: klimapolitische Anpassungen in Bremen darauf zu prüfen, ob mit selben Geldern größere Einspareffekte im Globalen Süden, zum Beispiel in den Partnerstädten, erreicht werden können. Über diese Forderung ist Enquête-Mitglied Phi­lipp Bruck (Grüne), der die Forderungen ansonsten für sinnvoll hält, „gestolpert“. Das könne als ein Abschieben der Verantwortung missverstanden werden.

„Bremen muss von sich aus klimaneutral werden“, stellt Bruck klar. Daneben habe das Land natürlich auch eine Verantwortung, Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen im Globalen Süden zu finanzieren. „Aber völlig unabhängig voneinander.“ Etwaige CO2-Einsparungen anderswo durch Bremer Mittel dürfe sich das Land auf keinen Fall selbst positiv in der Klimabilanz anrechnen.

Duis beruhigt: Lediglich fünf Prozent der Landesmittel, die bis 2030 für Klimaschutz ausgegeben werden, sollen Auslandsprojekte fördern. „Wir wollen Bremen nicht aus der Verantwortung lassen.“ Dennoch sei es wichtig, sich die globale Gesamtrechnung anzuschauen – und wo am Ende am meisten Einsparungen mit dem Geld erzielt werden können.

Senats-Sprecher Dohle warnt vor Konkurrenz: Die in Bremen benötigten Klimaschutzmaßnahmen seien noch zu intensivieren; „die Finanzierung von Projekten in den Ländern des Globalen Südens müsste folglich anders gewährleistet werden“. Aber bereits jetzt erfolge im Rahmen von Partnerschaften viel Wissenstransfer.

Damit Bürger*innen wirksam für eine klimagerechte Zukunft eintreten können, fordert das BEN eine Bildung, „welche die globalen Zusammenhänge aufdeckt und dazu befähigt, die eigenen Positionen und Rollen in diesen Zusammenhängen zu reflektieren“. Das ist das Ziel von Bildung für nachhaltige Entwicklung, erklärt Duis. Es gehe um die Vermittlung von demokratischen Grundsätzen, also beispielsweise die Frage, wie mit knappen Ressourcen umgegangen werden kann.

Bildung für nachhaltige Entwicklung und Globales Lernen müsse demnach in die schulischen und außerschulischen Bildungsangebote sowie in die Ausbildung von Lehrer*innen eingearbeitet werden. Als Querschnittsthema: „Wir dürfen nicht nur einzelne Fächer anschauen, sondern ganze Schulen“, so Duis – inklusive Kiosk, Küche und Einkauf. So sagen Schulen zwar, dass Näher*innen von Fußbällen mehr Geld bekommen sollten. „Und dann gehen die in die Turnhalle und kicken mit Ausbeuter-Bällen rum.“

Bildungsbehörde mit begrenztem Einfluss

In Museen, in der Wissenschaft oder bei NGOs sei das Thema schon angekommen; einige Schulen „sperren sich noch“. Laut Isabell Müller, seit Februar Landeskoordinatorin für Bildung für nachhaltige Entwicklung bei der Bildungssenatorin, sei das Thema nicht neu. „Schon im Schulgesetz steht, dass Schülerinnen und Schüler zu ‚überlegtem persönlichen, beruflichen und gesellschaftlichen Handeln‘ befähigt werden sollen.“

In einem neuen Rahmenplan für schulische Qualität, der zurzeit noch mit den zuständigen Behörden abgestimmt wird, versuche man, Normen zu schaffen, die Schulen Orientierung bieten. „Denn das ist unser Job“, so Müller. Da laut Gesetz Schulen aber eigenständige pädagogische Einheiten sind, ist für die Behörde nicht mehr drin. In jedem Fach gebe es aber Möglichkeiten, den Klimawandel und andere Themen wie Rassismus und Kommunikation zu integrieren, sagt Müller.

Für Bruck ist Klimagerechtigkeit vor allem bei der großen Frage des Klimaziels relevant, also wie viel CO2-Ausstoß sich Bremen eigentlich erlauben kann. Er habe sich dafür eingesetzt, dass das auch im Einsetzungsbeschluss der Kommission steht. Auch Michalik hat das Thema auf dem Zettel. Da die Enquête aber begrenzt Zeit hat, werde man sich zunächst gezielt auf konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz in Bremen konzen­trieren – später „mit der normativen Debatte zur Globalen Klimagerechtigkeit“.

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